12.7.22

Bericht aus Bulgarien (185) - "Wie in einem Roman von Dostojewski"

GeburtstagsFeierNamensSchildchen von RumenDemDeutschen

Seit ich in Bulgarien bin, wurde ich öfters eingeladen. Der gestrige Geburtstag meines Bürgermeisters war in Sachen Einladung ein Höhepunkt, denn die Feier, an der etwa 50 Menschen teilnahmen, war episch - das ist keine Übertreibung. Es gäbe viel zu erzählen, man könnte praktisch einen Roman schreiben, wofür mir angesichts täglich neuer Uber Files aber die Zeit fehlt. Ich will so viel verraten, dass ich mich wie in einem Roman von Dostojewski gefühlt habe, so weit man sich heute noch wie in einem Roman von Dostojewski fühlen darf, immerhin war Dostojewski Russe. Dass ich mich wie in einem Roman von Dostojewski gefühlt habe, lag an dem eingeladen Popen, der dem nahegelegenen Kloster vorsteht, das administrativ zu unserem Dorf gehört, was ich irgendwann schon mal gehört hatte. Da ich mich wegen dem Popen, den ich nun auch schon seit 20 Jahren kenne, wie in einem Roman von Dostojewski gefühlt habe, war es am ehesten "Die Brüder Karamasow" mit einem Schuss von "Der Idiot". Doch genug der Vorrede. Der Pope, der jünger aussieht als er ist und ursprünglich aus dem mazedonischen Teil Bulgariens stammt, hat auch die Band mitgebracht, zwei Frauen und drei Männer. Das war sozusagen sein Geburtstagsgeschenk. Von Anfang an war der Geistliche geistigen Getränken nicht abgeneigt, wobei er immer nur ganz kleine Schlückchen nahm, sowohl vom Whiskey als auch vom Wein. Der Höhepunkt von der Geburtstagsfeier meines Bürgermeisters war, als der Pope selbst anfing zu singen. Zuvor hatten das ausschließlich die beiden Sängerinnen der vom Popen mitgebrachten Band getan. Obwohl er ganz weltliche Lieder sang, war es, als würde ein Engel singen. Film- und Fotoaufnahmen durften dabei nicht gemacht werden, das wollte der Pope nicht, aber ich hatte meine Kamera sowieso zu hause gelassen - aus Erfahrung. In einem seiner Lieder forderte der Pope uns auf, die Gläser zu erheben, um gemeinsam zu trinken, wie überhaupt alles gemeinsam gemacht wird beim Bulgaren. War sonst die Tanzfläche immer und sogleich spektakulär voll gewesen, so blieben die Gäste beim Gesang des Popen auf ihren Stühlen sitzen und lauschten ihm andächtig, wie in der Kirche, wo der Pope sonst singt. Hatten manche ihm zur Begrüßung bereits die Hand geküsst, küssten sie ihm die beim Abschied später alle. Nur ich musste wieder aus der Reihe tanzen. Das war dem Deutschen in mir dann doch zu viel Körperkontakt. Auch ich dankte dem Popen für seinen Gesang und drückte ihn zum Abschied herzlich. Der Pope dankte mir seinerseits für meine Aufmerksamkeit.

Foto&Text TaxiBerlin

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