23.3.23

Bericht aus Bulgarien (544) - "Maroder Charme nochmal"

Nuss-Ecke Haus-Ecke (links)

Gestern habe ich mich mit meinem englischen Freund Jerry über die Frage unterhalten, ob und warum man in Bulgarien gerne immer alles positiver darstellt, als es ist, insbesondere Ausländern gegenüber. Jerry stimmte mit mir überein, dass es dieses Phänomen gibt, und dass sicherlich auch Scham eine Rolle spielt. Dann meinte er, und das ist der Unterschied, dass wir auch wegen diesem Verfall hier sind, den ich gestern als maroden Charme hoch Zwei bezeichnet habe. Bulgaren mögen in aller Regel keinen maroden Charme, was verständlich ist, denn sie sind ständig von marodem Charme hoch Zwei umgeben, insbesondere im Nordwesten, der ärmsten Region nicht nur Bulgariens, sondern der gesamten EU. Und man sucht bekanntlich immer das, was man nicht hat. Auch deswegen lebt jeder dritte Bulgare im Ausland, von den 20- bis 45-jährigen sogar jeder zweite. Bulgaren darf man mit "marodem Charme" und "beklagenswert" als Zustandsbeschreibung nicht kommen. Höchstens wenn man nicht will, dass sie kommen. Warum ist für Jerry und mich und viele andere aus dem Westen maroder Charme und Verfall so anziehend? Ich denke, weil es das ist, was es im Westen (noch) nicht gibt, er aber auf dem Weg dahin ist. Es ist, wenn man so will, eine Art von Dekadenz. Uns geht's zu gut. Vielleicht erklärt es auch ein wenig das, was Freud "Todestrieb" nannte. Ein Trieb ist es nicht, aber das Leben ist nunmal endlich. Nur, wenn der Tod aus dem Alltag verschwunden ist wie im Westen, sucht man nach ihm, auch unbewusst. Unter anderem deswegen unterstützt manch einer wohl auch Krieg gegen ein Land, in dem er nie war und dessen Bewohner er nicht kennt. Auch auf die Gefahr hin, selbst zum Kriegsteilnehmer zu werden. Dann lieber maroden Charme gut finden.

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22.3.23

Bericht aus Bulgarien (543) - "Beklagenswert"?

oder "nicht gut"?

Gestern ist eine Diskussion, fast könnte man von Streit reden, über den bulgarischen Text meines Projektes entbrannt. Ich hatte ihn von einer Bekannten vom Deutschen ins Bulgarische übertragen lassen und einer Nachbarin zum Lesen gegeben. Der Auftakt war das Wort "beklagenswert", das ich im Deutschen dafür verwende, den Zustand des Stalls zu beschreiben. Im Gegensatz zum obigen Stall ist mein Dach noch halbwegs dicht. Alle Einheimischen, die ich bisher gefragt habe, darunter auch viele Handwerker, waren der Meinung, dass man meinen Stall nicht erhalten kann, einfach weil der Zustand zu schlecht sei. Das hat in Bulgarien noch nichts zu bedeuten. Mit meinem Bad habe ich dieselbe Erfahrung gemacht. Alle waren der Meinung, ich könne den Holzboden nicht erhalten, sondern müsste das Bad komplett fließen, wie das in Bulgarien üblich ist. Und das, obwohl ich von Anfang an die Duschkabine erwähnte, die ich ins Bad stellen wollte. Aber der Bulgare kann sich eine geschlossene Duschkabine nicht vorstellen, darüber hinaus kein Bad, das nicht vollständig mit Fließen zugekleistert ist, und das mangels Duschkabine oder auch nur Duschvorhang immer komplett nass ist nach dem Duschen. In meinem Bad gibt es keine einzige Fließe, dafür Holzdielen auf dem Boden und eine Duschkabine. Am Ende meinten alle, die vorher gesagt hatten, dass das nicht geht, dass das so natürlich gehen würde. Zurück zum Wort "beklagenswert". Das klinge zu negativ, auch wenn es stimmt, zumindest im Deutschen, solle ich auf Bulgarisch lieber "nicht gut" als Zustandsbeschreibung des Stalles verwenden, um den Bulgaren nicht abzuschrecken, weil "beklagenswert" hier "hoffnungslos" sei. Nur "nicht gut" kann alles und nichts bedeuten, so denke ich. Aber egal, weiter im Text. Meine Nachbarin meinte, ich sollte nicht schreiben, dass unsere Region die ärmste Bulgariens und der EU sei, weil das zu negativ klinge. Meinen Einwand, dass es die Wahrheit ist, ließ sie nicht gelten. Auch in Spanien und Italien gäbe es solche Regionen, sogar in Deutschland. Das wisse sie, auch wenn sie nie in Deutschland war. Es mag sie durchaus geben, und demnächst mit Sicherheit noch mehr, aber nicht in diesem Ausmaß. Dass praktisch jedes zweite Haus verfällt oder schon in sich zusammengefallen ist, weil jeder Zweite das Land verlassen hat, das ist schon ziemlich einmalig in Europa, vor allem was die Häuser angeht. Im Gespräch stellte sich heraus, dass meine Nachbarin sich sorgt, dass wenn ich die Wahrheit schreibe, ich die Menschen abschrecken würde. Ich will jetzt nicht klugscheißen, aber da es um einen Rückzugsort für Schreibende geht, erlaube ich mir Ingeborg Bachmann zu zitieren, die der Meinung war, dass die Wahrheit dem Menschen zumutbar sei. Neulich habe ich den Verfall, der mich hier überall umgibt, als marode beschrieben, um an den maroden Charme zu erinnern, und weswegen Anfang der Neunziger Menschen nach Berlin gekommen sind. Das ist sozusagen mein positiv Sehen der Dinge. Verglichen mit dem maroden Charme damals, würde ich den hier und heute als maroden Charme hoch Zwei bezeichnen.

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21.3.23

Bericht aus Bulgarien (542) - "Der Eselflüsterer"

bei der Arbeit

"Der Eselflüsterer" ist der Titel eines Interviews, das ich kürzlich dem Rubikon gegeben habe, der auch schon Beiträge von mir veröffentlicht hat. Bei dem Begriff "Eselflüsterer", den ich selbst auch schon vorher verwendet hatte, habe ich mich beim "Pferdeflüsterer" bedient. Ich habe weder den Film mit Robert Redford gesehen, noch den Roman von Monty Roberts gelesen. Deswegen weiß ich nicht, ob "Pferdeflüsterer" die Sache, um die es in Buch und Film geht, richtig beschreibt. Für mich kann ich sagen, dass "Eselflüsterer" eigentlich verkehrt ist. Denn ich bin nicht jemand, der Eseln etwas flüstert - im Gegenteil. Ich bin derjenige, der ihnen lauscht, an ihren Lippen hängt, so wie auf obigem Foto. Abgesehen von dieser - nennen wir es kleine Unstimmigkeit - ist alles wahr in dem Rubikon-Interview.

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Bericht aus Bulgarien (541) - "Che über Stalin"

Im Antiquariat "Ortograph" in Sofia

Unweit des Slawejkow Platzes im Herzen Sofias befindet sich das Antiquariat "Ortograph", das Konstantin leitet. Man muss nur bei McDonald's in die kleine Straße abbiegen, dann findet man nach nur hundert Metern auf der linken Seite das beste Buch-Antiquariat nicht nur der bulgarischen Hauptstadt, sondern möglicherweise sogar ganz Bulgariens. Lange hielt ich die Postkarten von Che und Stalin am Fensterrahmen des Geschäftes für eine politische Provokation. Lediglich der Umstand, dass Konstantin kein politischer Mensch sondern Buchverkäufer ist, wollte nicht so recht dazu passen. Vorige Woche war ich mit Layne, meiner Partnerin und Kollegin aus Kalifornien, bei Konstantin im Geschäft. Während ich nach Büchern stöberte, hat Layne sich im Rahmen ihrer Recherche zu dem Buch über Bulgarien, an dem sie schreibt, mit Konstantin auf spanisch unterhalten. Warum auf spanisch, aber vor allem warum Che und Stalin, das erfährst Du in Laynes aktuellem Beitrag, der auf englisch ist, über das Gespräch mit Konstantin.

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20.3.23

Bericht aus Bulgarien (540) - "Last Book Stand"

Im Schatten des Hotel "Rila"

Einst gab es in der bulgarischen Hauptstadt Sofia den großen und bekannten Buchbasar auf dem Slawejkow Platz - bis dieser vor einigen Jahren saniert wurde. Danach haben die zahlreichen überdachten Bücher-Stände nicht wieder eröffnen dürfen, sind sie verbannt von dem zentralen Platz. Lediglich das Denkmal für Petko und Pentcho Slawejkow, Schriftstellervater und Schriftstellersohn, erinnern daran, dass der Platz etwas mit Büchern und Schreiben zu tun hat. Ich selbst habe viele Bücher auf diesem Markt gekauft und kannte einige Verkäufer auch persönlich. Mit einem, sein Name ist Wasko, war ich sogar befreundet. Er hat mir viele Bücher besorgt, beispielsweise Bergführer für das Balkangebirge für meine Esel-Wanderung quer durch Bulgarien. Dass der Buchbasar nicht wieder öffnen durfte auf dem Slawejkow Platz, hat meinem Freund Wasko das Herz gebrochen und bald darauf ist er verstorben. Ein einziger Stand konnte sich damals in den kleinen Park vor dem Hotel "Rila" retten, der vielleicht 400 Meter entfernt vom Slawejkow Platz ist. Der Ort ist traurig und lädt eher zum Weinen als zum Kaufen ein. Trotzdem gehe ich immer bei ihm vorbei, wenn ich in Sofia bin. Es ist ein Ritual, das schmerzhaft ist. Da jetzt auch der gleichnamige Park "Rila" saniert wird, ist es möglicherweise nur eine Frage der Zeit, bis auch diesem Ritual ein Ende gesetzt wird, bis auch der letzte Buchstand der bulgarischen Hauptstadt verschwunden ist.

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19.3.23

Bericht aus Bulgarien (539) - "Aleko Konstantinow"

Auf dem Boulevard "Vitosha"

Als ich diese Woche in Sofia war, war ich auch auf dem Boulevard "Vitosha", der vergleichbar ist mit dem Ku'damm in Berlin und dem Champs-Élysées in Paris, wo gerade eine Menge los zu sein scheint, weil der französische Präsident Macron am Parlament vorbei zu regieren versucht, was aber ein anderes Thema ist. Obwohl, vielleicht auch nicht. Vermutlich hätte sich Aleko Konstantinow, der in Bulgarien "Der Glückliche" genannt wird, auch über ein solches Demokratieverständnis lustig gemacht. Der klassische bulgarische Autor, der nur 34 Jahre alt wurde, er fiel einem Attentat zum Opfer, und von dem ich zwei Bücher auf deutsch herausgebe, ist für seine satirischen und sozialkritischen Texte bekannt. Sein bekanntestes Werk heißt "Bai Ganju, der Rosenölhändler", das er in seiner linken Hand hält. Der Koffer rechts neben ihm erinnert daran, dass Aleko, der an einen Wegweiser mit Schildern unter anderem nach Paris, er war auch in der französischen Hauptstadt, gelehnt ist, für seine Zeit viel gereist ist. Sogar über den großen Teich ist er geschippert, um die Weltausstellung 1893 in Chicago zu besuchen. Über diese Reise geht es in seinen Reisenotizen "Nach Chicago und zurück". Dass er am Ende des Boulevards "Vitosha" mit Blick auf das gleichnamige Gebirge steht, ist kein Zufall. Eine Wanderung, zu der er zuvor mittels Zeitungsanzeige aufgerufen hatte, vom Zentrum der bulgarischen Hauptstadt hoch auf den höchsten Berg des Vitosha-Gebirges, den "Tscherni Wrach" (2292m), nahm er zum Anlass, den ersten und bis heute einzigen bulgarischen Wanderverein zu gründen. Dass das Wandern und das Schreiben in Bulgarien traditionell miteinander verbandelt sind, darauf weise ich auch in der Beschreibung meines Non-Profit-Projektes eines "Donkey Sanctuary & Writers Retreat" hin. Das Denkmal Aleko Konstantinows am Ende des Boulevards "Vitosha" wurde nur kurz vor der Veröffentlichung seiner Bücher beim Wieser-Verlag in Klagenfurt eingeweiht. Es ist in Bulgarien auf eine ausgesprochen positive Resonanz gestoßen, und auch mir gefällt es gut, weswegen ich es jedem Besucher der bulgarischen Hauptstadt ans Herz lege - und natürlich auch Alekos Bücher.

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18.3.23

Bericht aus Bulgarien (538) - "... was man in Bulgarien lernen kann"

Georgi Alexejew im Gespräch mit jungen Demonstrationsteilnehmern

Es ist jetzt gut ein Jahr her, dass ich Georgi Alexejew, den obersten für die bulgarische Regierung zuständigen Polizisten, zum ersten Mal gesehen und fotografiert habe. Obige Aufnahme ist direkt neben dem bulgarischen Parlament in Sofia und am Rande einer Demonstration entstanden, über die ich auf Multipolar berichtet habe. Später habe ich Georgi Alexejew immer wieder gesehen, irgendwann kamen wir ins Gespräch. Beim letzten Protest im Dezember in Sofia haben wir uns per Handschlag begrüßt und uns nach der Befindlichkeit des anderen erkundigt. Ein Foto, das ich im März von Georgi Alexejew vor dem Sitz der bulgarischen Regierung in Sofia gemacht habe, ist nun das Titelfoto meines aktuellen Artikels in der Online Zeitung "schwarz auf weiß" von Paul Brandenburg. Ausgangspunkt meines Beitrags ist, dass heute vor 175 Jahren in Berlin Bürger für die Freiheit auf die Straße gingen, für Meinungsfreiheit, Redefreiheit und Versammlungsfreiheit. Glaubt man der BZ, wird der 18. März in Berlin in diesem Jahr "gefeiert wie noch nie". Was dies mit Georgi Alexejew zu tun hat, das erfährt man in meinem Beitrag mit dem Titel "Waren die Märzgefallenen Patrioten?".

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Bericht aus Bulgarien (537) - "Geschändet von Geschichtsvergessenen"

Denkmal für die Sowjetischen Armee in Sofia

Während es in Berlin drei große Denkmäler für die Sowjetische Armee gibt, das bekannteste im Tiergarten, ein weiteres in Treptow und dann noch eins in Pankow, gibt es in der bulgarischen Hauptstadt Sofia nur eins. Aktuell sieht es so aus, die Aufnahme entstand am Dienstag. Das merkwürdige an der Schändung des Denkmals war, dass die abgebrochenen Teile immer noch herumlagen. Nicht merkwürdig, sondern geschichtsvergessen ist, dass es wegen dem Krieg in der Ukraine entfernt werden soll, obwohl in der Sowjetischen Armee aka Rote Armee auch Ukrainer gekämpft haben. Wäre es nicht logischer, rein russische Denkmäler zu entfernen? Mit dieser Frage beschäftigt sich mein neuer Beitrag "Aus den Augen aus dem Sinn?" in der Online Zeitung "schwarz auf weiß" von Paul Brandenburg.

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Bericht aus Bulgarien (536) - "Rückkehr aufs Land"


Früher sind die Menschen in BG gewandert, danach ausgewandert, seit einiger Zeit kehren sie zurück, manche von ihnen auch aufs Land, so wie ich. Neuerdings sind nicht nur eine Familie, die zuvor in Sofia lebte, mit ihren Schafen meine Nachbarn, sondern jemand weidet auch seine Pferde nebenan. Damit ich diese neue Entwicklung nicht vergesse, tragen die Pferde Glocken am Hals. Aber eigentlich haben sie diese, damit der Besitzer sie auch wiederfindet. Auch wenn sie Hobbles tragen und damit weniger mobil sind, grasen sie mal hier aber manchmal auch dort.

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17.3.23

Bericht aus Bulgarien (535) - "schwarz auf weiß"

"Unabhängigkeit und Neutralität für Bulgarien"

Mehrfach habe ich alteingesessenen Medien wie beispielsweise dem Spiegel, der Süddeutschen und auch der Neuen Zürcher Artikel über Bulgarien angeboten. Immer war die Antwort, dass man nur Beiträge der eigenen Journalisten veröffentlichen würde. Diese waren und sind bis heute Mangelware, und die eigenen Journalisten sind oft gar nicht in Bulgarien, sondern berichten aus Istanbul, Belgrad oder Bukarest über Bulgarien. Zum Glück gibt es jetzt die neue Online Zeitung "schwarz auf weiß" von Paul Brandenburg, die heute einen ersten Artikel von mir mit dem Titel „Bulgarien als Zone des Friedens“ veröffentlicht hat. Jeder hat nun die Möglichkeit zu vergleichen zwischen alteingesessenen Medien, die zwar über Geld verfügen, deren Journalisten aber oft gar nicht am Ort des Geschehens sind, und einer Online Zeitung, die sich über Spenden finanziert und deren Berichterstatter am Puls der Zeit sind. Ich beispielsweise war auf praktisch jeder Friedensdemo im letzten Jahr in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Obige Aufnahme entstand zum Beispiel am 6. April vor dem bulgarischen Parlament, im Hintergrund sieht man die Kuppeln der Alexander-Newski-Kathedrale, einem Wahrzeichen der bulgarischen Hauptstadt. Friedensdemonstrationen sind nichts Neues in Bulgarien. Neu ist, dass sie nicht von der Partei "Wiedergeburt" organisiert werden, sondern von Bürgerinitiativen. Die letzte gab es am vergangenen Sonntag, nicht nur in Sofia, sondern darüber hinaus zeitgleich in sechs anderen bulgarischen Städten, darunter in der zweitgrößten Stadt Plowdiw und auch in Varna am Schwarzen Meer. Für mich als in Deutschland sozialisierter ist es, unabhängig davon wer die Demonstration organisiert, immer wieder aufs Neue eine tolle Erfahrung zu sehen, dass die Berichterstattung in Bulgarien selbst weitestgehend neutral ist. Dementsprechend kommen die Demonstranten auch ungefiltert zu Wort, so wie es sich in einer Demokratie gehört. Sie werden auch nicht von Journalisten vorgeführt, wie dies in der Heimat an der Tagesordnung ist. Die Arbeit dieser Journalisten, besser "Journalisten", bereitet mir körperliche Schmerzen. Mit meiner Arbeit setze ich mich zur Wehr gegen ihre falsche und verlogene Berichterstattung. Ich freue mich, wenn meine Berichte auch in Zukunft ungefiltert erscheinen, beispielsweise bei Paul Brandenburgs "schwarz auf weiß".

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16.3.23

Bericht aus Bulgarien (534) - "Die Heldenreise"


Auch wenn der Begriff "Heldenreise" als solcher nicht in meinem Text "Schreiben als Therapie" vorkommt, der von Sabrina Khalil für RadioMünchen eingelesen wurde, so fasst er mein Verständnis von Kunst im Allgemeinen und vom Schreiben im Besonderen in einem Wort zusammen. Irgendwo hatte ich gelesen, dass Kunst heute Alles und Nichts bedeuten kann, sie in aller Regel aber Nichts bedeutet. Viele denken sogar, dass es dann Kunst sein muss, wenn sie sie nicht verstehen. Ich denke das nicht. Meiner Erfahrung nach wird das, was als Kunst bezeichnet wird, oft nicht verstanden, weil der Künstler, eher "Künstler", nicht verstanden werden will. Dementsprechend versteht auch er selbst seine Kunst, besser "Kunst", nicht. Kunst, die diesen Namen verdient, ist immer selbstkonfrontative Kunst. Selbstkonfrontative Kunst meint, dass der Künstler sich mit sich selbst auseinandersetzt. Sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, heißt nicht automatisch Egoismus und Selbstbezogenheit, auch wenn dies heutzutage nur allzu oft so verstanden wird. Selbstkonfrontation ist immer auch eine Heldenreise, und zwar die zu sich selbst. Niemand kann weiter kommen als bis zu sich selbst. Man kann x-mal um die Welt reisen, oder auch "nur" nach Bulgarien, am Ende wird man immer wieder nur bei sich selbst ankommen. Bei sich selbst anzukommen, das ist die Heldenreise. Dabei seine Wunden zu zeigen, kann nicht nur Heilung bedeuten, sondern kann darüber hinaus auch Kunst sein. Und zwar genau dann, wenn sie andere Menschen berührt. Kunst, die einen weder berührt, noch dass man sie versteht, ist keine Kunst, ist bestenfalls Kunstgewerbe, im Normalfall nur "Kunst".

Podcast RadioMünchen
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (533) - "Himmel über Sofia"


Gestern und vorgestern war ich in Sofia. Zuerst war ich bei meinem Freund, dem Zahnarzt, wegen einer Füllung. Ich hatte ihn fast ein Jahr nicht gesehen. Er wollte mich immer mal auf meinem Dorf besuchen, woraus aber bis heute nichts geworden ist. Er hat einfach zu viel Arbeit. Als ich das letzte Mal ganz spontan bei ihm war, habe ich seine Mutter kennengelernt, mit der er sich die Praxis teilt. Auch sie eine sehr angenehme Person etwa in meinem Alter, dazu noch äußerst attraktiv. Als ich ihm das gestern sagte, freute er sich. Auch er ist ein schöner Mann, wo weit ich das als Mann beurteilen kann. - Am Abend waren wir, meine Frau und ich, auf einem Treffen von Expats. Expat ist die Kurzform von Expatriate und bezeichnet im weiteren Sinne Personen, die außerhalb ihres Heimatlandes leben. Unter ihnen ein junger Deutscher und ein junger Holländer. Beide fühlen sich sehr sicher und wohl in Bulgarien. Sie sind zuvor noch nie hier gewesen und waren wegen der Berichterstattung über den Balkan am Anfang verständlicherweise vorsichtig. Keine ihrer Befürchtungen hat sich erfüllt - im Gegenteil. Bis heute sind sie angetan von der Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Bulgaren. - Übernachtet haben wir auf dem Gästesofa der bulgarischen Freundin unseres englischen Freundes Jerry in Sofia. Sie hatte es uns freundlicherweise angeboten, damit wir nachts nicht übers Balkan-Gebirge zurückfahren mussten. Am gestrigen Morgen erwartete uns dann dieser phantastische Ausblick von ihrem Wohnzimmer auf das Vitosha-Gebirge.

Foto&Text TaxiBerlin

15.3.23

Bericht aus Bulgarien (532) - "Einfach umgedreht"

Auf dem Slawejkow Platz in Sofia / Bulgarien

Die Dinge sind in Bulgarien nicht immer nur umgedreht, sondern auch einfacher. Ein Beispiel: In Bulgarien gibt es weiterhin nur zwei Geschlechter. Die Dame, die da auf der Bank raucht, ist eine Frau. Die Herren Petko und Pentcho Slawejkow neben ihr, übrigens Schriftstellervater mit Schriftstellersohn, sind Männer. Beim Gendern der Sprache geht man den umgedrehten Weg. Bei den Berufsbezeichnungen gibt es jetzt nur noch die männliche Form. Wer sich darüber beklagt, gilt als von gestern. Sternchen, Strich und Binnenirgendwas sind gänzlich unbekannt. Kein Scheiß jetzt!

Foto&Text TaxiBerlin

14.3.23

Bericht aus Bulgarien (531) - "Kill All Men!"


OK, es ist keine Friedensdemo und auch keine "Friedensdemo". Aber immerhin eine Frauentagsdemo, oder eher "Frauentagsdemo". Das ganze in Berlin, der Stadt, auf dessen Straßen und Plätze ich viele Jahre mit meinem Taxi unterwegs war. Als Mann muss ich mich heute an diesen Orten in Acht nehmen, denn alle Männer sollen dort getötet werden. Nichts anderes heißt "Kill All Men!" auf Deutsch: "Töte alle Männer!". - Warum ich mir das anschaue? Ich schaue es mir als Vorbereitung auf meine bevorstehende Heimkehr an. Nach zwei Jahren in den Schluchten des Balkans verstehe ich das deutsche Denken beziehungsweise "The German Mind" nicht mehr. In Deutschland ist man offensichtlich gerade dabei, völlig den Verstand zu verlieren, und die deutsche Hauptstadt ist die Zentrale dieses Irrenhauses. Da ist man besser vorbereitet, insbesondere wenn man - so wie ich - ein Mann ist.

Video LeoLowis
Text TaxiBerlin

13.3.23

Bericht aus Bulgarien (530) - "Emotional Support"

And Writer's Support Too

Auch in Hollywood ist man nun dahinter gekommen, dass ein Esel ein toller emotionaler Unterstützer ist. Das ist keine Überraschung, denn im Westen brauchen die Menschen in der Tat Hilfe, um mit ihren Gefühlen klarzukommen. Auch Schreibende können Unterstützung durch den Esel gebrauchen, aber an erster Stelle der Esel selbst, der vom Aussterben bedroht ist. In Bulgarien beispielsweise sind von den 350.000 Exemplaren Mitte der Achtziger heute gerade einmal 20.000 Esel übrig geblieben. Die meisten von ihnen sind alt und männliche Tiere sind in aller Regel kastriert, so dass keine Nachkommen zu erwarten sind. Auch deswegen habe ich ein Crowdfunding gestartet, obwohl ich nie ein Crowdfunding starten wollte. Mit meinem "Donkey Sanctuary & Writers Retreat" will ich den ersten Rückzugsort für Schreibende ins Leben rufen, an dem es auch Esel gibt. Ich freue mich über jeden, der mein Crowdfunding emotional und/oder finanziell unterstützt. Man kann das über die Plattform "Betterplace" machen oder auch gerne direkt. Natürlich weiß auch ich, dass wir in schwierigen Zeiten leben. Nicht jedem ist es möglich, etwas zu geben, selbst wenn er wollte, was absolut in Ordnung ist. Für den Fall freue ich mich darüber, wenn man mein Projekt mit anderen Menschen mit Emotionen für Esel und fürs Schreiben teilt. Vielen Dank!

Video AcademyAwards
Text RumenMilkow