9.5.22

Bericht aus Bulgarien (132)


Am Mittwoch in Sofia vor dem bulgarischen Parlament

In Bulgarien gibt es seit kurzem eine Initiative mit dem etwas sperrigen Namen „Gesamtbulgarischer Marsch für Frieden und Neutralität“. Eine der Mitinitiatorinnen der Initiative ist Sarnela Vodenicharowa, die auf obigem Foto die Frau rechts ist, die der anderen Frau etwas ins Ohr flüstert. Dass Frau Sarnela Vodenicharowa flüstert, flüstern muss, bedeutet aber nicht, dass sie in irgendeiner Weise konspirativ wäre – das nicht. 

Eher das Gegenteil, denn Sarnela Vodenicharowa ist eine Aufklärerin, die in Bulgarien bereits über den Ausverkauf von Bodenschätzen, und da an erster Gold, aber auch von Wasserquellen (kein Witz, in Bulgarien wurden Wasserquellen privatisiert, die neuen Besitzer kommen u.a. aus Kanada) und über genmanipulierte Nahrungsmittel berichtet hat. Konspirativ dürften eher diejenigen sein, die mit dem, worüber Sarnela Vodenicharowa aufklärt, viel Geld verdienen oder in Zukunft verdienen möchten.

Der „Gesamtbulgarische Marsch für Frieden und Neutralität“, den Sarnela Vodenicharowa mitorganisiert, setzt sich, wie der Name es schon sagt, für Frieden und Neutralität Bulgariens im Ukrainekrieg ein. In Bulgarien ist eine große Mehrheit der Bevölkerung für eine Neutralität und gegen jegliche Kriegsbeteiligung, aktuelle Umfragen ergaben 80 Prozent. Trotzdem wurde letzte Woche Mittwoch vom bulgarischen Parlament eine „militärtechnische Hilfe“ für die Ukraine beschlossen, worunter man sich beispielsweise die Reparatur von Panzern vorstellen soll. Nicht wenige Bulgaren gehen davon aus, dass man mit dieser Entscheidung Kriegsteilnehmer geworden ist. Möglicherweise befinde auch ich mich bereits im Krieg.

Bisher ging der Protest gegen die bulgarische Regierung, die im Land keine Mehrheit hat, wie auch, bei 60 Prozent Nichtwähler, von der Partei „Wiedergeburt“ aus. Über Proteste dieser Partei habe ich sowohl auf Multipolar, als auch auf Rubikon berichtet. Nun gibt es den „Gesamtbulgarischen Marsch für Frieden und Neutralität“ von Sarnela Vodenicharowa, mit der mein Freund und Übersetzer Martin Petrushev bereits ein Interview geführt hat, und deren Marsch aktuell auch schon  Proteste gegen eine Kriegsbeteiligung in anderen großen Städten Bulgariens organisiert hat, beispielsweise in Varna und Plowdiw. (Auf deutsch hat Martin Interviews mit Norbert Häring und auch mit mir gemacht.)

Auf dem Protest am Mittwoch in Sofia hat Sarnela Vodenicharowa demokratisch darüber abstimmen lassen, ob der Chef der Partei „Wiedergeburt“, Kostadin Kostadinow, zu den Protestierenden sprechen soll oder nicht. Nachdem sich eine übergroße Mehrheit dafür ausgesprochen hatte, kam Kostadinow aus dem abgeriegelten Parlament und hielt eine kurze Rede, in der er unter anderem über die dort gerade abgefundene Abstimmung berichtete, bei der sich eine Mehrheit für „militärtechnische Hilfe“ entgegen dem Willen einer übergroßen Mehrheit der Bulgaren ausgesprochen hat. Auf der Straße geht es vermutlich nicht nur in Bulgarien gerade demokratischer zu als in den Parlamenten. Jedenfalls alles andere als „barbarisch“ oder gar „untermenschenhaft“, wie es das unterstellte „prorussische“ vermuten lässt.

(In dem Zusammenhang wäre interessant zu erfahren, wie eine Abstimmung über eine deutsche Kriegsbeteiligung oder auch „nur“ Waffenlieferungen in der Heimat ausfallen würde. Vielleicht kann einer meiner Leser etwas dazu sagen, und auch über die allgemeine Stimmung im Land der Dichter und Denker, beispielsweise über eine eventuelle Kriegslüsternheit der Deutschen. Vielen Dank im Voraus!)

Als solches, also als „prorussisch“, wird Bulgarien gerne insbesondere vom Ausland diskreditiert. Wenn dem so ist, dann ist auch die neutrale Schweiz prorussisch. Wer argumentiert, dass sich die Ukrainer mit den gesendeten Waffen „nur“ verteidigen würden, der möge sich fragen, ob dem wirklich so ist, oder ob es nicht eher so ist, dass am Ende auch diese Waffen genau dasselbe Leid verursachen werden, das uns täglich im Fernsehen und im Internet präsentiert wird. Neutralität dagegen würde die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zwingen.

Auf dem Platz vor dem bulgarischen Parlament habe ich mich mit Menschen unterhalten, die Angst davor haben, dass nun die Nato-Basen, es gibt drei in Bulgarien, angegriffen werden könnten. Ähnliche Ängste gibt es wohl auch in Deutschland bezüglich der US-Air Base in Ramstein. Der Unterschied ist, dass Bulgarien näher dran ist an Russland als Deutschland.

Verhandlungen der beiden Kriegsparteien sind auch ein Ziel des „Gesamtbulgarischen Marsch für Frieden und Neutralität“ von Sarnela Vodenicharowa. Waffenlieferungen oder auch „nur“ militärtechnische Hilfe stehen diesem Ziel entgegen, verlängern den Krieg nur unnötig. Wer weiterhin für Waffenlieferungen eintritt, sollte sich auch fragen, ob er nicht vor allem ein nützlicher Idiot der weltweiten Waffenlobby ist, bei der seit Kriegsbeginn die Sektkorken knallen.

Am Ende werden sich auch in diesem Krieg irgendwann beide Kriegsparteien an einen Tisch setzen und miteinander sprechen müssen, so wie die Amerikaner vor ihrem „glorreichen“ Abzug aus Afghanistan mit den Taliban gesprochen haben, obwohl uns diese zuvor genauso wie jetzt "die" Russen als böse Untermenschen verkauft worden waren.

Und wenn es nicht so kommen sollte, dann Gnade uns Gott.

Foto&Text TaxiBerlin 

2 Kommentare:

  1. Hier fehlt u.a. ein Verb im Satz:
    "Eher das Gegenteil, denn Sarnela Vodenicharowa ist eine Aufklärerin, die in Bulgarien bereits über den Ausverkauf von Bodenschätzen, und da an erster Gold, aber auch von Wasserquellen (kein Witz, in Bulgarien wurden Wasserquellen privatisiert, die neuen Besitzer kommen u.a. aus Kanada) und über genmanipulierte Nahrungsmittel."

    an erster Stelle Gold
    berichtet hat

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  2. Danke, hab's korrigiert.

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