3.3.23

Bericht aus Bulgarien (514) - "Plamen Goranow"

Die Flamme

Heute ist in Bulgarien ein Feiertag, und zwar "Tag der Befreiung", offiziell ist es der "Tag der Befreiung Bulgariens vom Osmanischen Reich". Am dritten März vor zehn Jahren ist Plamen Goranow gestorben. Plamen, auf deutsch "Flamme", hat sich am 20. Februar vor dem Rathaus in der Stadt Varna am Schwarzen Meer selbst verbrannt. Plamen, der Tage später im Krankenhaus verstarb, war Künstler und Fotograf, darüber hinaus Kletterer. Als solcher ist er auch auf Hochhäuser geklettert. Plamen war Protestführer der landesweiten sozialen Proteste in Bulgarien in den Jahren 2012&13. Ausgelöst wurden sie durch die Erhöhung der Strompreise, nachdem eine Firma aus der Tschechischen Republik Teile des bulgarischen Strommarktes übernommen hatte, vergleichbar mit der Übernahme des Berliner Strommarktes durch Vattenfall. Die Bulgaren sollten plötzlich das drei- oder gar vierfache für Strom bezahlen, und zwar von Geld, das sie nicht hatten. Praktisch das, was jetzt auch in der Heimat passierte, nur dass dort die Proteste ausblieben. Für einige ist Plamen Goranow der bulgarische Jan Palach. Von offizieller Seite ist Plamen praktisch vergessen. Kein Denkmal erinnert an ihn. Letztes Jahr habe ich Plamens besten Freund Dimitar kennengelernt. Ich habe mich lange mit ihm unterhalten, er hat mir Fotografien von Plamen gezeigt. Ich habe auch sein Buch "Salamander" über Plamen gelesen. Als die besagte tschechische Firma damals den Strommarkt auch in meiner Region übernahm, funktionierte plötzlich mein Stromzähler nicht mehr. Ich erinnere mich, dass ich deswegen runter in die Kneipe von meinem Bürgermeister ging, die damals gut besucht war. Nachdem ich von meinem Problem mit dem Stromzähler erzählt hatte, war ich nicht mehr nur "Rumen, der Deutsche", sondern darüber hinaus "Rumen, der Glückliche". Von dem Moment war es nochmal ein weiter Weg bis zur Herausgabe zweier Werke von Aleko Konstantinow, der in Bulgarien als "Der Glückliche" bekannt ist. Doch zurück zu Plamen. Er war nicht der einzige, der sich damals verbrannt hat. Mit ihm haben es dreißig andere getan oder versucht. Auch sie sind offiziell vergessen. Auch mit dem Tschechen Jan Palach, der sich aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings selbst verbrannte, können immer weniger etwas anfangen. Ursache von Protesten, soweit sie im Westen stattfinden, wo jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, sind heute euphemistisch "Verwerfungen". Das hört sich harmlos an und klingt nach Völkerball. Wer es im Westen nicht schafft, ist ein Loser, hat es nicht geschafft, hat sich wohl "verworfen".

Foto&Text TaxiBerlin

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