24.1.23

Bericht aus Bulgarien (419) - "Der Systemwechsel"

Sonnenuntergang in den Schluchten des Balkans

In Bulgarien gibt es aktuell nicht nur eine Unterschriftensammlung für ein Referendum über die geplante Einführung des Euros zum 1. Januar 2024, sondern neuerdings auch eine von einem Initiativkomitee organisierte über die Einführung eines Präsidialsystem. Es gibt also Kräfte im Land, die einen Systemwechsel wollen, und zwar von einer parlamentarischen Demokratie wie in Deutschland zu einer Präsidialrepublik. Als ich gestern zum ersten Mal davon hörte, musste ich sogleich an den Cäsarismus denken, von dem ich kürzlich in Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" gelesen habe. Der Cäsarismus oder auch Cäsarenherrschaft geht auf Julius Cäsar zurück, besser auf den Diktator Julius Cäsar, dessen Name wiederum auf den Kaiserschnitt, die Sectio caesarea, zurückgeht. Auch Karl Marx, Alexander de Tocqueville, John Stuart Mills, Theodor Mommsen, Jacob Burckhardt, Friedrich Nietzsche, Antonio Gramsci und viele andere haben sich mit dem bekannten römischen Herrscher und seiner Herrschaft beschäftigt. Sieht man sie positiv, ist sie die Herrschaft einer charismatischen Einzelperson. Ist das Glas halbleer, dann ist es eine Diktatur, die zum Despotismus und zur Tyrannei führt. Geht es nach Oswald Spengler, kündigt der Cäsarismus den Verfall der Kultur und damit das zweite und letzte Stadium der Zivilisation an. Möglicherweise ist hier Bulgarien, wo in 2022 nur 39 Prozent „normal“ gelebt haben, das heißt ohne zu sparen, 19 Prozent bereits auf ihre Ersparnisse zurückgreifen und 27 Prozent sogar Darlehen beziehungsweise Kredite aufnehmen mussten, Deutschland der Zeit ein weiteres Mal voraus. Eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche und Verwerfungen, die die Demokratie ablöst. - Es bleibt also spannend, und ich sitze in der ersten Reihe.

Foto&Text TaxiBerlin

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