29.9.22

Bericht aus Bulgarien (317) - "Gestern in Sofia"

Konferenzsaal Nr. 1 im Herzen Sofias

Die gestrige Veranstaltung mit David Engels in Sofia war mit 50 Menschen, darunter viele junge, die auch deutsch sprachen, gut besucht. Dass sie deutsch sprachen, lag daran, dass sie einige Zeit in Deutschland oder Österreich gelebt haben, manche viele Jahre, bevor sie aktuell nach Bulgarien zurückgekehrt sind. Das Leben in den beiden deutschsprachigen Ländern war ihnen unerträglich geworden, so wie mir mein Leben in Berlin unerträglich geworden ist, weswegen sie in ihre alte Heimat zurückgekehrt sind. Einer von ihnen hatte sogar meinen ersten Artikel "Bulgarien - die große Freiheit" gelesen. Da war er gerade einen Monat zurück gewesen, nachdem er 13 Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Eine Rückkehr nach Bulgarien war nicht geplant gewesen, aber er hat keinen anderen Ausweg für sich gesehen. Mein Beitrag hätte ihm aus dem Herzen gesprochen, sagte er mir, was ein tolles Kompliment für mich war. So wie er waren auch viele andere der Meinung, Deutschland und Österreich besser zu verstehen, als die meisten Deutschen und die Österreicher selbst, und das ist auch meine Einschätzung. Beide, sowohl der Deutsche als auch der Österreicher, sind so sehr mit ihrer Angst, ihrer Kontrollillusion und der sich daraus ergebenen Depression beschäftigt, dass sie den Blick für das Große und Ganze verloren haben. Vor allem ist es die Angst vor Veränderungen, obwohl sie doch gerade das Wichtigste im Leben sind, und dem Verlassen ihrer Komfortzone, was als nächsten ansteht. So denken nicht nur die meisten Bulgaren und ich, sondern auch der aus Belgien stammende Historiker David Engels, der sich schon 2018 nach Polen in Sicherheit gebracht hat, und um dessen beiden Bücher "Was tun?" und "Renovatio Europae" es ging. Beide sind gerade ins Bulgarische übersetzt worden und verkaufen sich nach Angaben des Verlegers, der gestern ebenfalls anwesend war, ausgesprochen gut. Gestern hatte praktisch jeder Besucher der Veranstaltung eins von beiden unterm Arm, viele auch beide. Anfang Oktober wird "Angstgesellschaft" von Hans-Joachim Maaz auf Bulgarisch erscheinen, ich habe gestern schon das Cover gesehen. Ich bin gespannt, wie dieses Buch ankommt, und ob Hans-Joachim Maaz auch nach Bulgarien kommt und Fragen seiner Leser beantwortet. Ob eine solche Lesung an einem so zentralen Ort wie in Sofia beispielsweise auch in Berlin möglich wäre, war eine von vielen Fragen, die gestern gestellt wurde. Ich glaube, eher nicht. Wenn einer meiner Leser es besser weiß, möge er sich bitte melden. Vielen Dank!

Foto&Text TaxiBerlin

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