9.7.22

Bericht aus Bulgarien (181) - "Kein Wasser im Haus, aber Regen vom Himmel"

Vier Pakete mit Zwiebeln und Knoblauch

Gestern der Basar war ganz OK, nur im Supermarkt gab es keine Joghurt-Angebote, was ich als schlechtes Zeichen ansehe, weil es sonst immer Joghurt-Angebote gibt. Worauf dieses Joghurt-Zeichen hinweist, wird sich zeigen. Zur Abwechslung habe ich einen größeren Joghurt genommen, der wegen seiner Größe günstiger ist, und der eine Haut oben auf dem Joghurt hat. Viele mögen so eine Haut nicht, auch nicht auf ihrer Milch, aber für mich ist das kein Problem. Ich kenne es nur so, zumindest in Bulgarien, wo bei dem selbst gemachten Schaf-Joghurt meiner Tante immer eine Haut oben drauf war.

Zurück im Dorf habe ich in der Dorfkneipe unsere vier Pakete abgeholt. Drei hatte ich wieder mit Hermes geschickt und eins mit der Post. Dass sie überhaupt angekommen sind in den Schluchten des Balkans, grenzt für mich an ein Wunder, das mich über die auch nur leichten Beschädigungen meiner Verpackung komplett hinwegsehen lässt. In den Hermes-Paketen sind wieder Bücher. Sie waren alle um die 23 Kilogramm schwer, was bei Hermes kein Problem ist. Dort kann man bis zu 25 Kilogramm versenden, es kostet 18,90 € und ist mit 500 Euro versichert. Das größere Paket, in dem Klamotten sind, habe ich mit der Post verschickt.

Mit der Post kann man nur 20 Kilogramm verschicken und es ist auch teurer. Für mein eines Paket habe 32,90 Euro bezahlt. Dafür ist es etwas größer als eine Bananen-Kiste. Es ist ein Umzugskarton. Fällt mir in dem Zusammenhang ein, dass ich sieben Bananen-Kisten mit Büchern verkauft habe, als ich in Berlin war. Für jede Kiste gab es 25 Euro, was eigentlich zu wenig ist. Aber wenn man unter Zeitdruck steht, nimmt man, was man kriegen kann. Ich erwähne das mit den 25 Euro, weil ich mit dem Verkauft der Bücher praktisch den Versand meiner Pakete nach Bulgarien bezahlt habe. Eins ist noch unterwegs, das hatte ich zum Schluss nochmal mit Hermes versendet.

Die Pakete hatte mein Bürgermeister in seiner Kneipe bei uns im Dorf für mich gelagert. Das große mit der Post verschickte hat er für mich sogar aus dem Nachbarstädtchen mitgebracht, wo er wohnt. Er selbst war nicht in der Kneipe in dem Moment, als ich die Pakete dort abgeholt habe, sondern seine Mitarbeiterin, die ich schon so lange kenne wie meinen Bürgermeister - 20 Jahre. Sie hatte beim Wiedersehen nach meiner Rückkehr gefragt, ob ich ihr "Bonboni", also Bonbons aus Deutschland, mitgebracht hätte. Hatte ich nicht, aber die Frage war auch nicht ganz ernst gemeint.

Trotzdem habe ich ihr gestern deutsche "Bonboni", und zwar "Toffifee", aus dem Supermarkt mitgebracht. Jetzt war es ihr natürlich peinlich, und sie wollte sie gar nicht annehmen. Ich sagte ihr, dass es für mich auch ein Spaß gewesen wäre die deutschen "Bonboni" für sie zu kaufen, und dass sie auch ihren Kindern, ihren Enkelkindern und insbesondere ihrer Mutter ein deutsches "Bonboni" abgeben soll. Ihre Mutter ist nämlich meine Nachbarin Baba Bore, die gerade in ihrem Garten arbeitete, als ich auf meinem Heimweg rauf zu meiner Hütte bei ihr vorbeifuhr, weswegen ich anhielt, damit wir uns begrüßen, also drücken können.

Baba Bores Garten ist der perfekteste im ganzen Dorf. Sie kann damit mehrere Familien ernähren, und auch ich kriege immer etwas ab. Das ist der Grund, warum ich normalerweise nicht anhalte, denn das ist mir wiederum peinlich, dass ich nie mit leeren Hände von ihr weggehen darf. Und so war es auch gestern. Ich bekam von ihr neben frischen Gurken noch frische Zwiebeln und frischen Knoblauch. Knoblauch ist das bulgarische Antibiotikum. Möglicherweise hat es auch dazu beigetragen, dass das Virus an mir vorbeigegangen ist, dass ich bis heute weder genesen, noch geimpft oder gar tot bin.

Auf dem Heimweg traf ich dann noch meinen Bürgermeister, der mir mitteilte, dass es auf meinem Weg mal wieder eine Wasser-Havarie gibt, er sich aber schon darum gekümmert hätte. Später am Tag kamen auch Leute mit Bagger zu mir rauf, das geplatzte Rohr ist praktisch direkt vor meiner Hütte, die es reparierten. Wasser habe ich deswegen bis heute morgen nicht. Auf telefonische Nachfrage meinte mein Bürgermeister, dass das noch kommen würde. Wann, sagte er nicht. Vermutlich gibt es noch eine weitere Havarie im Dorf. Ich lasse mich überraschen. Wenn es schon kein Wasser aus der Leitung gibt, so fällt seit gestern Abend welches vom Himmel, was ich mehr schlecht als recht aufzufangen versuche.

Für Montag bin ich bei meinem Bürgermeister, einem im Sternzeichen Krebs geborenen, meinem Aszendent, zum Geburtstag eingeladen. Auch ihn kenne ich jetzt schon seit 20 Jahren, damals war er noch kein Bürgermeister, sondern derjenige, der mir die Hütte gezeigt hat, in der ich gerade sitze und diesen Beitrag schreibe, weil es hier jetzt auch Internet gibt, was ich wiederum Freunden zu verdanken habe, die mich nicht nur mit Informationen, sondern darüber hinaus mit der nötigen Hardware versorgt haben. Vielen Dank nochmal dafür!

Heute treffe ich mich um 11 Uhr mit meinem englischen Freund Jerry, der am liebsten Deutscher wäre, zum Kaffee im Nachbarstädtchen. Auch Jerry, der drei Dörfer weiter wohnt, hat seit Tagen kein Wasser. Treffen werden wir uns diesmal aber nicht im Café "Vegas", wo wir uns sonst immer treffen, sondern in der Konditorei nebenan. Die Konditorei ist neu und hat wirklich Torten, die aber mit unseren Torten nichts zu tun haben, man kann sie praktisch nicht essen, weil sie nur aus Zucker bestehen. Der Kaffee ist aber gut und, vielleicht das wichtigste, die Toilette ist groß und sauber und vor allem umsonst. Im "Vegas" sollen neuerdings auch Gäste 50 Stotinki (25 Cent) für die Toilette bezahlen.

Auch wenn ich die Alte vom "Vegas" mag, vor allem aber ihre Tochter, die dralle Blonde, aber dass Gäste für die Toilette bezahlen sollen, das geht gar nicht. Die Toilette in der Konditorei ist geräumig wie eine Toilette in Amerika, was in Bulgarien nur schwer zu finden ist. Praktisch könnte ich mich dort auch Waschen oder zumindest Zähne putzen. Ich hoffe, dass es dort Wasser gibt. Gerade überlege ich, ob hinter dem abgestellten Wasser ein Plan steckt. Und zwar der, einen neuen Bürgermeister einzusetzen, weil die Leute mit dem alten unzufrieden sind.

Mein Bürgermeister hat jetzt doch das Material für unseren vom vielen Regen ausgewaschenen Weg besorgen können, irgendwelche Reste von Bitumen, die, so vermute ich, auf irgendeiner Baustelle nicht mehr gebraucht werden. Vielleicht ist das Material auch geklaut, ich will es nicht ausschließen. Im Gegenteil, und ich gehe sogar davon aus, dass auch in Deutschland bald im großen Stil geklaut werden wird, einfach weil die Menschen frieren und nichts mehr zu essen haben.

Das mit dem Klauen von dem Bitumen ist dagegen nur eine Vermutung. Dass Bürgermeister ersetzt werden sollen, ist eine Theorie, wegen mir auch eine Verschwörungstheorie. Seit einiger Zeit mag ich Verschwörungstheorien sehr, einfach deswegen, weil sich die allermeisten insbesondere in der jüngsten Vergangenheit als wahr herausgestellt haben, was für mich ein großer Spaß ist. Wäre es nicht so, gingen mir Verschwörungstheorien auch am Arsch vorbei. Apropos: Jetzt muss ich mal, wie um diese Zeit üblich, auf Toilette, und ich überlege, wie ich das ohne Wasser im Haus hinbekomme. Ich muss mal schauen, wie viel ich von dem vom Himmel fallenden Wasser auffangen konnte.

PS: Komme gerade von draußen rein. Dem Toilettengang steht nichts entgegen.

Foto&Text TaxiBerlin

2 Kommentare:

  1. Danke Rumen, für Deinen Bericht. bei uns regnet es nicht, es ist stürmisch. Wir haben auch Wasser, nur abends nicht viel, wenn alle ihr Gemüse gießen. HG

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  2. Danke, Eli, für deinen Kommentar. Hier hat es aufgehört mit regnen, und wir haben auch wieder Wasser. Die Woche soll schön und trocken und mit jedem Tag wärmer werden. Gerade habe ich gehört, dass man beim Tanken für jeden Liter Benzin bzw. Diesel 25 Stotinki zurück bekommt. Hast du auch davon gehört? Wir hoffen, es geht euch gut, und senden euch ganz liebe Grüße vom anderen Ende. R

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