5.7.22

Bericht aus Bulgarien (177): "Fuck physical Distancing!" - "Vergiss körperliche Distanz!"

In der Heimat hat man das sich in den Arm nehmen verlernt, wie ich bei meinem Aufenthalt am eigenen Leibe erfahren durfte. Bulgarien, das kleine Land am Rand, das uns in der Zeit voraus ist, ist auch was das Drücken lernen angeht eine gute Schule für den obrigkeitshörigen Deutschen. Denn die Schluchten des Balkans wären nicht die Schluchten des Balkans, würde man dem Westen bei seinem sozialen Distanzierungswahn folgen. Dem Bulgaren ist aber nicht nur nur die soziale Distanz fremd, sondern vor allem die körperliche. So wie man hier immer und überall lauter spricht, so kommt man sich auch immer und überall näher, und zwar physisch. Allen distanzphanatischen Deutschen kann deswegen vom Besuch des Balkans nur abgeraten werden, ebenso allen Maskenfetichisten. Folgende Aufnahmen entstanden auf dem am vergangenen Wochenende in Sofia stattgefundenen "A to Z Jazz-Festival", bei dem an drei Abenden jeweils mehr als 10.000 Menschen auf engsten Raum zusammen kamen. Menschen mit Masken wurden dabei nicht gesichtet. Dafür Menschen, von denen der Deutsche die einfachsten menschlichen Dinge lernen kann, wie z.B. das sich in den Arm nehmen:


Es beginnt mit dem gegenseitigen Ausbreiten der Arme verbunden mit ein Aufeinanderzugehen beider Parteien. Menschen können dabei an einem vorbei gehen, das ist absolut möglich und in Bulgarien auch die Regel.


Die geöffneten Arme umschließen beiderseits den Körper des jeweils anderen vollständig. Auf beiden Gesichtern ist die Vorfreude auf den bevorstehenden Körperkontakt deutlich zu erkennen.


Dem Umschließen des jeweils anderen Menschen mit den eigenen Armen folgt ein heftiges aber vor allem herzliches Aufeinanderdrücken der Körper.


Dem Aufeinanderdrücken der beiden Körper sind keine zeitlichen Grenzen gesetzt, insbesondere nicht in Bulgarien, wo die Uhren anders ticken.


Demzufolge kann das Aneinanderpressen der Körper hier auch schon mal etwas länger dauern.

Fotos&Text TaxiBerlin

11 Kommentare:

  1. Lieber Rumen,
    herzlichen Dank für diese Einführung zum "Drücken". Es war an der Zeit, dass dem obrigkeitshörigen deutschen Distanzhalter gezeigt wird, wie es richtig geht. Und auch, wie wichtig es ist, diese uralte Kulturtechnik wieder in das Leben zu integrieren.

    Ich hoffe, diese Schritt-für-Schritt-Anleitung führt jetzt dem letzten Drückeberger vor Augen, worauf er seit über zwei Jahren verzichtet hat. Manche scheinen dies vergessen zu haben. Wer das Drücken nicht mag, kann dies durch das öffentliche Tragen einer Maske signalisieren. So können Missverständnisse schnell ausgeräumt werden.

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  2. Danke, Joachim, für deine zustimmenden Worte. Danke auch für die "obrigkeitshörigen deutschen Distanzhalter" und den "Drückeberger", der in dem Zusammenhang eine ganz neue Bedeutung bekommt. Schön auch zu sehen, dass du die Kultur durch "diese uralte Kulturtechnik" ins Spiel bringst. Vielleicht hat der Deutsche abseits der gemeinsamen Sprache ja auch gar keine Kultur, wie die hiesige Integrationsbeauftragte mit Migrationshintergrund vor einigen Jahren anmerkte.

    Jedenfalls ist es bemerkenswert zu sehen, wie schnell insbesondere dem Deutschen mal wieder die natürlichsten menschlichen Bedürfnisse abhanden gekommen sind. Zum Beispiel bei diesen lächerlichen Begrüßungsritualen mit der Faust oder dem Armwinkel, die mittlerweile wohl als normal oder sogar als cool angesehen werden. Cool sind sie keineswegs, sondern einfach nur doof. Würde man cool nur einmal übersetzen, und zwar als kühl, könnte man sogar selbst drauf kommen.

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  3. Anonym5.7.22

    Da erinnere ich jetzt mal an meinen Geburtstag 2020, an dem du ausdrücklich nicht in den Arm genommen werden wolltest und hinterher ziemlich sauer warst, als ich es doch getan habe. Ich erinnere auch an euren Flug in die USA, und die gasmasken, die ihr dabei getragen habt. Im übrigen gibt es "die deutschen " oder "den deutschen " in deiner ständigen Verallgemeinerung nicht. Die Menschen hier, wie überall, sind sehr unterschiedlich.

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  4. Danke auch für deinen Kommentar. Ich erinnere mich an beides sehr gut. Dein Geburtstag war Anfang und unser Rückflug Ende März 2020. Die Plandemie war damals noch ganz am Anfang und die Erkrankung wurde von der Politik insbesondere in Deutschland verharmlost und bagatellisiert. Diese Verharmlosung und Bagatellisierung, aber auch unser bevorstehender Abflug (ich hatte keine Lust in Amerika krank zu sein), war für mich als gelernter Krankenpfleger der Anlass, den Virus und die durch ihn hervorgerufene Erkrankung ernst zu nehmen. (Bald darauf wurde es auch von dir, der mich damals noch ausgelacht, der aber vor allem meinen Wunsch missachtet hat, sehr ernst genommen und wird es wohl bis heute.)

    Richtig war auch damals schon dein Hinweis darauf, dass jeder den Virus bekommen werde, immerhin hast du ein Hörspiel darüber geschrieben. Offiziell wurde aber von einer sich dadurch natürlich herausbildenden Herdenimmunität, von der auch du damals sprachst, nicht mehr gesprochen. Im Gegenteil, es wurde und wird weiterhin Angst geschürt ("geimpft, genesen oder gestorben" - Jens Spahn, "es geht um Leben und Tod" - Karl Lauterbach, um nur zwei Beispiele zu nennen).

    Im Gegensatz zu dir habe ich bei meinem aktuellen Besuch in Deutschland auf das Drücken und sich in den Arm nehmen auf Wunsch und aus Respekt verzichtet, obwohl man heute viel mehr über die Erkrankung weiß, und dass sie keinesfalls so gefährlich und todbringend ist, wie bis zum heutigen Tag behauptet wird.

    Da ich nun lange genug in Bulgarien gelebt habe und auch die Verhältnisse in Deutschland kenne, erlaube ich mir beides miteinander zu vergleichen. Wenn ich in dem Zusammenhang von "den" Deutschen und "den" Bulgaren spreche, so ist das natürlich nicht wörtlich gemeint. Diese Verallgemeinerungen sind ein Stilmittel, dessen sich Literatur immer bedient hat. Nur hat sich noch nie jemand darüber beklagt, wenn beispielsweise Thomas Bernhard alle Österreicher als Nazis bezeichnet hat.

    Menschen sind für mich an erster Stelle sehr ähnlich und nicht sehr unterschiedlich, wie du schreibst. Sie werden geboren, versuchen irgendwie mit ihrem Leben klarzukommen und sie leiden am Ende alle. Es gibt aber auch Unterschiede, und diese versuche ich mit meinen "ständigen Verallgemeinerungen" herauszuarbeiten.

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  5. Anonym7.7.22

    Hier wird auch wieder gedrückt, zumindest in meinen Kreisen. Man knutscht halt nicht mehr, eher so andeutungsweise. Aber ansonsten - Kopf links, Kopf rechts, körperliche Umarmung - wo soll da das Problem sein? Schleimhäute aussen vor.

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  6. Anonym7.7.22

    und angemacht wegen Maske oder nicht wird hier auch keener. Geimpft oder nicht ist inzwischen auch allen titte. Ich verstehe halt dein bashing nicht.

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  7. Anonym7.7.22

    Das ist so herablassend. Und da verlierst du tatsächlich meinen Respekt. Geht gar nicht.

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  8. Lieber Robert, es freut mich, dass, zumindest in deinen Kreisen, auch wieder gedrückt wird. Meine Erfahrung, und um die ging es, ist eine andere, ebenso was das Tragen der Maske und das Geimpft sein angeht. Neulich hat unserer Gesundheitsminister Nicht-Geimpftem Pflegepersonal, zu dem ich auch gehöre, das Recht abgesprochen hier zu sein, was an dir vorbeigegangen sein muss. Auch das erneute Maske tragen hat er bereits wieder ins Spiel gebracht, und zwar von Oktober bis Ostern.

    Mir ist ehrlich gesagt nicht klar, welches Bashing du meinst, und auch nicht, was an meinen Ausführungen herablassend gewesen sein soll. Ich kann es mir nur so erklären, dass du nicht mehr ganz nüchtern warst, als du deine drei Kommentare verfasst hast, worauf auch die Uhrzeit schließen lässt. Ich möchte die bitten in diesem Fall in Zukunft von Kommentaren abzusehen. Danke im Voraus! Rumen

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  9. Anonym7.7.22

    Die alkoholkeule z.b. Im übertragenen Sinne https://de.m.wikipedia.org/wiki/Godwin%E2%80%99s_law

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  10. Anonym7.7.22

    Weil ihnen von oben verordnet: in Deutschland tragen alle Maske, in Deutschland lassen sich alle impfen, in Deutschland umarmt man sich nicht mehr, alle, die keine Maske tragen, werden aggressiv angegangen (tatsächlich wurden hier menschen ermordet und brutal zusammengeschlagen, wenn sie höflich dazu aufgefordert wurden, umgekehrt ist mir dagegen nur ein fall bekannt geworden), in deutschland sind alle obrigkeitshörig, in bulgarien ist alles besser usw. Du behauptest, dein Blick von außen ist halt die Wahrheit. Aber du lebst in deiner selbstgeschaffenen blase umhüllt von selbstgerechtigkeit, und ignorierst alles andere. Das heißt nicht, dass ein teil deiner Wahrnehmung durchaus zutreffend ist, aber das Gesamtbild hakt an allen ecken und enden. Du hast dich da verrannt. Du ignorierst alles, was nicht deinem derzeitigem weltbild entspricht. So sehe ich das.

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  11. Lieber Robert, danke für deine ausführliche Antwort. Immerhin erreiche ich Menschen mit meinem Schreiben. Das ist mehr als man erwarten kann, insbesondere in diesen Tagen. Die Wahrnehmung und ihre Beurteilung können verschieden sein, zumindest war das bisher so. Einen Wahrheitsanspruch, ich weiß nicht, wie du darauf kommst, habe ich nicht. Wie auch, bei "Unwahren Geschichten ...". (Auch hier möchte ich Thomas Bernhard als Beispiel bemühen, der oft und gerne "Das ist die Wahrheit" in seinen Büchern schrieb. Hat sich je jemand darüber beklagt?) Zumindest kenne ich beide Seiten, sowohl Bulgarien als auch Deutschland, und trage sie auch in mir. Das wichtigste ist, dass man im Gespräch bleibt. Vielleicht führen wir unser Gespräch, zu dem es, als ich in Berlin war, leider nicht gekommen ist, an anderer Stelle fort. Ich würde mich freuen, wenn du mir und meinem Blog gewogen bleibst. Rumen

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