7.6.22

Bericht aus Bulgarien (166)


"Zwischen der Macht und der Freiheit kann es keine Freundschaft geben."
(aktuelles anarchistisches Graffito in den Straßen von Sofia / Bulgarien)

Aus meiner ersten großen Liebe konnte nichts werden, weil ihr Vater bei der Stasi war, ich aber Westverwandtschaft hatte und darüber hinaus umtriebig war, vor allem in meinem Denken. Ich war damals 16 und sie 15, und vor einiger Zeit haben wir uns wiedergetroffen, nachdem wir uns zuvor viele Jahre aus den Augen verloren hatten. Sie erinnerte mich daran, dass ich ihr damals vieles erklärt hätte, unter anderem auch den Anarchismus. Ich hatte das praktisch schon vergessen, obwohl es ein wichtiges Detail ist, das mit dem Anarchismus. Und ich fragte mich sogleich und frage mich immer noch, ob ich Anarchist bin. Immerhin gab es auch in Bulgarien, meiner zweiten Heimat, Anarchisten wie zum Beispiel Wassil Ikonomov. Dazu muss man wissen, dass mein Vater auch Wassil hieß und mein Vatersname Wassilev ist. Was Wassil, also Wassil Ikonomov, zu sagen hatte, nämlich dass es keine Freundschaft zwischen der Macht und der Freiheit gibt, das trifft heute noch zu. Wären Schwab und wie sie alle heißen Russen, so würde man sie Oligarchen nennen. Da sie es nicht nicht, dürfen sie ganz offen und auf der Bühne sagen, dass sie Regierungen "penetrieren" würden und niemand erregt sich darüber, obwohl auch Schwab & Co keine demokratische Legitimation haben. Sie haben einfach nur Geld und damit Macht. Und wenn sich Typen wie Scholz, der wie gesagt nicht mein Kanzler ist, mit ihnen Treffen, machen sie sogar noch einen Knicks vor ihnen, so wie Habeck, der auch nicht mein Vizekanzler ist, neulich noch vor dem Scheich, denn: "Nur der Scheich ist wirklich reich". - Ich frage mich, wie Putin das wohl machen würde? Denn ich erinnere mich, dass Putin den einen Oligarchen, der nach der Macht strebte, sogar einsperren ließ. Als er, Chodorkowski war sein Name (offiziell "ein russischer Unternehmer, früherer Oligarch" - was für eine wundervolle Metamorphose, vermutlich ist ein Deutscher drauf gekommen) wieder freikam, wurde er in Deutschland und da insbesondere in Berlin als Freiheitskämpfer gefeiert, obwohl er doch nur ein Oligarch war. So gesehen ist die Schwab-Hörigkeit des Deutschen nur folgerichtig. Geht es um Menschen(?) wie Schwab ("ehemals Unternehmer, jetzt Oligarch und Plutokrat" - wird bald ganz offiziell im Internet stehen), teile ich obige Aussage von dem bulgarischen Anarchisten Wassil Ikonomov. Aber die Frage, ob ich damit schon Anarchist bin, halte ich für eine typisch deutsche Frage, da sie vor allem eine Ablenkung ist, die von der eigentlichen Frage ablenkt. Und zwar die, ob wir überhaupt eine Demokratie oder eine Herrschaft von Oligarchen haben. Es gibt ernstzunehmende Stimmen in Amerika, die davon ausgehen, dass die USA keine Demokratie, sondern eine Herrschaft der Reichen, also eine Plutokratie sind. Und warum sollte es ausgerechnet in Deutschland, dem treuesten Vasallen der Amerikaner, anders sein?

Foto&Text TaxiBerlin

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