27.6.22

Bericht aus Berlin (41) - "Die Desillusionisten"

Desillusionieren auch

Nun ist es offiziell, das Amt wünscht mir "viel Erfolg und alles Gute" als Desillusionist. Zuvor habe ich es davon überzeugen können, dass Desillusionist nicht nur ein Beruf mit Zukunft, sondern vor allem einer ist, den unser Land jetzt braucht. Mit anderen Worten: Menschen, die aus dem Angstmodus von Öffentlich/Rechtlich und Mainstream herausgetreten sind und nach vorne blicken, wie man so schön sagt, und das möglichst realistisch. Auch du kannst Desillusionist werden, und nicht nur, weil es ein Beruf mit Zukunft ist, was das Amt bestätigt hat, jetzt sozusagen auch amtlich ist. Desillusionist zu werden ist nicht leicht, deswegen wird es von Amts wegen gefördert. Es ist das, was der Dichter mit "das Einfache, das so schwer zu machen ist" meinte. Das schwierigste ist der Wechsel weg von den üblichen Einflüsterern und ewig die richtige Haltung einfordernden Moralaposteln und hin zum Vertrauen auf den eigenen Instinkt und der eigenen Lebenserfahrung. Denn es stimmt einfach nicht, dass alle Menschen, die eine andere Meinung haben, Aluhüte, Antisemiten, Coronaleugner, Nazis, Verschwörungstheoretiker etc. sind. Dies zu begreifen, dass man Jahrelang falsch gelegen hat, ist vielleicht das schwerste. Aber ohne dem geht es nicht. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Ohne dass man sich selbst möglichst illusionslos sieht, kann man kein Desillusionist werden. Mir hat dabei geholfen, dass bereits in meinem Taxi ein jeder alles sagen durfte, und dass ich es mir angehört habe, ohne es sogleich zu bewerten. Vor allem hat mir aber geholfen, dass ich mit dem Alkohol aufgehört habe. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht rauche und auch sonst keine Drogen nehme. Man braucht fünf Jahre, bis man wieder man selber wird, nachdem man mit dem Trinken aufgehört hat. Das habe ich in "Nüchtern" von Daniel Schreiber gelesen. Das beste Buch, das ich übers Aufhören kenne. Bei mir sind es jetzt vier Jahre, ich bin also noch auf meinem Weg. Und doch kann ich jetzt schon sagen, dass es die vielleicht wichtigste Entscheidung in meinem Leben war, mit dem Alkohol aufzuhören, und zwar komplett. Noch nie hatte ich eine größere Klarheit als jetzt. Dass ich nun auch noch ganz offiziell Desillusionist werde, ist also nur folgerichtig.

Foto&Text TaxiBerlin

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