12.5.22

Bericht aus Bremen (2)


Rathaus Bremen

Nachdem der erste Bericht von Joachim so gut angekommen ist bei meinen Lesern, habe ich ihn um eine Fortsetzung gebeten. Der Leser meines Blogs aus Bremen war so freundlich, meiner Bitte zu entsprechen. In seinem zweiten Beitrag, der den Titel "Gegengifte" hat, schreibt Joachim darüber, wie er sich auf seinen Bulgarienbesuch vorbereitet. Obwohl der Titel durchaus seine Berechtigung hat, und auch ich zu ihm beigetragen habe, würde ich in dem Fall eher von "Giften" reden. "Gifte", die in der Heimat sogar mit (Buch-)Preisen bedacht wurden und die vielleicht zu verstehen helfen, wenn es in der Heimat so viel Unverständnis über und manchmal sogar zwischen zwei Buchdeckeln gepressten Hass auf Bulgarien und Bulgaren gibt. Deswegen halte ich das von mir empfohlene und in dem Bericht von Joachim erwähnte Buch "Apostoloff" für durchaus lesenswert, obwohl die Autorin eher auf die Coach als ihr Buch ins Buchregal gehört.

Gegengifte

Mein Vorhaben mir Bulgarien näher zu bringen mithilfe eines Liebesromans an Bulgarien, wird von Rumen sachte torpediert. Er sendet mir Buchtitel, von bulgarischen Autoren und Autorinnen. Sie seien ihm noch eingefallen und er wolle sie mir empfehlen.

Das war Sonntag gewesen, als ich bei schönem Wetter die norddeutsche Tiefebene erkundete. Man sollte keine Nachrichten abrufen bei Schönwetter-Fahrten und Stadtbesichtigungen. So eine Mail mit Hinweisen auf Buch-Empfehlungen lässt mich ja nicht kalt. Besonders nicht, wenn sie von einem Kenner kommt, der Rumen heißt und in den Schluchten des Balkans wohnt.

Ich habe mir eines sofort besorgt. Das "Will-haben-Syndrom" wirkt bei mir leider sehr schnell, ganz besonders, wenn es sich um Bücher handelt. Bestimmt wäre ich bei einem Marshmallow-Test zur Selbstkontrolle und Bedürfnisaufschiebung krachend durchgefallen. Ausgesucht, bestellt, heruntergeladen, das ging alles schnell. Nun liegt das Buch vor mir oder das, was ein eBook Reader zeigt - es heißt "Apostoloff" und ist geschrieben von Sibylle Lewitscharoff. Frau Lewitscharoff ist wie Rumen Halb-Bulgare und ihr Buch wurde im Jahr 2010 veröffentlicht. Rumen meinte nicht nur, dass es mir als Gegengift zu den "111 Gründe Bulgarien zu lieben" taugt. Es sei auch eine Art Roadmovie, da hier zwei Schwestern durch Bulgarien reisen, wovon die Ich-Erzählerin eine Bulgarienhasserin ist. Außerdem führen sie in einem Auto durch Bulgarien, dessen Chauffeur auch Rumen hieße, Rumen Apostoloff.

Da kommt schon einiges zusammen, was mich jede Selbstkontrolle verlieren und die Seite meines Lieblings eBook Dealers aufrufen lässt. Nein, nicht die Firma aus dem Silicon Valley, die habe ich schon seit einigen Jahren nicht mehr auf dem Schirm, ebenso wie Google und Meta, das ehemalige Facebook. Mein eBook Dealer hat seinen Stammsitz seit 425 Jahren im schwäbischen Tübingen und ist somit vorerst einmal unverdächtig hinsichtlich der Datensammelei. Ein Roadmovie, ein Protagonist namens Rumen, eine Ich-Erzählerin, die Bulgarien hasst und aus Süddeutschland stammt, wo auch ich lange Zeit lebte. Dies reichte aus, meine Neugier zu wecken und noch am Sonntagabend mit dem Lesen zu beginnen.

Ihr Vater kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland, genauer gesagt, emigrierte er zusammen mit neunzehn anderen Bulgaren nach Stuttgart, der schwäbischen Metropole. Auch das ist spannend, denn was hat dies für Auswirkungen auf eine Familie, wenn einer seine Heimat verlässt und sein Glück woanders, nämlich in Deutschland sucht? Vielleicht gibt das Buch auch hierzu eine Antwort, denn der Bulgarienhass der Ich-Erzählerin wird gespeist durch ihren Vaterhass. Sie kann es ihm nicht verzeihen, dass er sich früh das Leben nahm und ihr als Vater nicht mehr zur Verfügung stand.

Alle, die jetzt erwarten, den ganzen Inhalt des Buches erzählt zu bekommen, muss ich leider enttäuschen, ich bin erst ganz am Anfang. Aber in punkto Gegengift konnte ich schon etwas aufschnappen: "Das bulgarische Essen? Ein in schlechtem Öl ersoffener Matsch. Der Fisch ein verkokelter Witzfisch. Bulgarische Kunst im zwanzigsten Jahrhundert? Abscheulich, und zwar ohne jede Ausnahme. Die Architektur, sofern nicht Klöster, Moscheen oder Handelshäuser aus dem neunzehnten Jahrhundert? Ein Verbrechen." 

Ich mag es nicht glauben und muss es herausfinden: Ist es dort wirklich so schlimm?

Foto&Text JoachimBremen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen