13.12.21

Michel Houellebecq über "Was tun?" von David Engels, das in Bulgarien ein Bestseller ist

 

In Sicherheit – trotz kaputter Flagge

Als ich „Was tun?“ las, ist mir der seltsame, sogar unpassende Gedanke gekommen, dass Nietzsche, wenn er heute lebte, vielleicht der erste wäre, der eine Erneuerung des Katholizismus wünschen würde. Während er damals hartnäckig das Christentum als eine ‚Religion der Schwachen’ bekämpfte, würde er heute einsehen, dass die ganze Kraft Europas
in jener ‚Religion der Schwachen’ begründet war, und dass Europa ohne sie verloren ist. Michel Houellebecq in "Was tun?" von David Engels

Nachdem ich gestern das Interview mit David Engels, dem Autor von „Was tun?“ mit seinem Übersetzer ins Bulgarische veröffentlicht habe, und ich bereits vor einiger Zeit auf das des Übersetzers mit dem Bulgarischen Nationalradio (BNR) „Christo Botew“ hingewiesen hatte, möchte ich nun etwas zum Buch „Was tun?“ selbst sagen, das seit zwei Monaten ein Bestseller in Bulgarien ist. Ich kannte bis zu dem Zeitpunkt, bis mir der Übersetzer im Sommer in Sofia von dem Buch „Was tun?“ erzählt hat, den Autor David Engels nicht, hatte noch nie von ihm gehört. Der Titel seines Buches kam mir hingegen bekannt vor. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Lenin ein Buch mit einem solchen Titel geschrieben. Jedenfalls existiert ein Buch im Russischen mit dem Titel „Shto derljat?“ aus der Zeit der Oktoberrevolution. Das Buch von David Engels, das mit einem Zitat von Michel Houellebecq eingeleitet wird, hat damit nichts zu tun.

Dass David Engels sein Buch mit einem Zitat Michel Houellebecqs einleitet, der wiederum „Was tun?“ gelesen hat und sich in seinem Zitat sogar auf das Buch bezieht, hat mir den Autor gleich sympathisch gemacht. Und dann natürlich das Zitat selbst, in dem sich Michel Houellebecq mit Friedrich Nietzsche beschäftigt. Dazu muss man wissen, dass Houellebecq kein Fan von Nietzsche ist – eher das Gegenteil. Ich finde den Gedanken Houellebecqs, dass „Nietzsche, wenn er heute lebte, vielleicht der erste wäre, der eine Erneuerung des Katholizismus wünschen würde“, alles andere als abwegig – im Gegenteil. Der Gedanke ist auch nicht neu für mich. Mein bester Freund Dietrich hatte denselben Gedanken den Katholizismus betreffend bereits vor über zehn Jahren gehabt. 

Der Gedanke bringt mich zurück zu dem Interview mit David Engels, denn der Autor hat das Interview mit seinem Übersetzer in Sofia vom Katholischen Polen aus geführt. David Engels hat sich aktuell von Belgien nach Polen in Sicherheit gebracht, so wie ich mich von Berlin nach Bulgarien in Sicherheit gebracht habe. Aus dem Interview erfahre ich weiterhin, dass David Engels sein Buch „Was tun?“ an erster Stelle für sich selbst geschrieben hat, um Antworten auf seine eigenen, brennenden Fragen zu finden. Das merkt man, so denke ich, dem Buch unbedingt an und macht es so leicht zu lesen.

Eine Sache hat mich in „Was tun?“ dann aber doch überrascht, und zwar dass für David Engels die Abschaffung des Bargeldes bereits beschlossen Sache ist. Dazu muss man wissen, dass er die erste Fassung des Buches auf Französisch noch vor Corona geschrieben hat. Weiter möchte ich über das Buch von David Engels eigentlich gar nichts sagen. Jeder, der lesen kann, sollte das Buch lesen und sich selber ein Bild machen, denn es versucht Antworten auf die wichtigsten Fragen unserer Zeit zu geben.

Zum Schluss mache ich das, was Verlage seit einiger Zeit mit ihren Autoren machen. Ich weise hiermit ausdrücklich darauf hin, dass, auch wenn ich das Buch „Was tun?“ von David Engels gelesen habe, das nicht automatisch bedeutet, dass der Inhalt dieses Buch meine Meinung darstellt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber wir leben in besonderen Zeiten, in denen Selbstverständliches nicht mehr selbstverständlich ist.

Würde ich noch Taxi fahren, würde ich heute auch nach jeder Fahrt erklären, dass das, was Fahrgäste in meinem Taxi, in dem man zwar nicht telefonieren, dafür aber alles sagen durfte – sogar die Wahrheit, gesagt haben, nicht automatisch meine Meinung ist.

Foto&Text TaxiBerlin

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