Keine zwei Wochen mehr, und in Bulgarien wird wieder gewählt, und zwar am 2. Oktober. Während man in Deutschland "kriegsmüde" ist (was für ein trauriges aber vor allem schlimmes Wort), ist man in Bulgarien nur "wahlmüde". Immerhin ist es die vierte Wahl in eineinhalb Jahren. Zählt man die Wahl des Präsidenten, der in Bulgarien direkt vom Volk gewählt wird, Ende letzten Jahres hinzu, ist es sogar dir fünfte. Dementsprechend ist das Interesse an der Wahl und den Wahlständen, es tendiert gegen Null. Bei der letzten Parlamentswahl im November lag die Wahlbeteiligung bei 40 Prozent. 60 Prozent, die Mehrheit also, sind Nichtwähler in Bulgarien. Die letzte Regierung der beiden Harvard-Boys Kiril Petkow und Assen Wassilev, eine Koalition aus vier Parteien, hatte gerade einmal 25 Prozent aller zur Wahl berechtigten Wähler hinter sich. Trotzdem wurde die Legitimation dieser Regierung niemals hinterfragt. Auch nicht vom "Werte-Westen" - im Gegenteil. Dieser wurde nicht müde ihre "pro-westliche" Fortschrittlichkeit zu loben. Was für ein Fortschritt? Dass eine Regierung ohne Legitimation regiert? - Damit solche und ähnliche Fragen nicht mehr gestellt werden, ist neuerdings die "Delegitimierung des Staates" justiziabel, zumindest in Deutschland. In Bulgarien undenkbar. Undenkbar deswegen, weil in Bulgarien bis zum heutigen Tag ein jeder alles sagen darf. Ich hatte das schon mehrfach geschrieben, und jetzt hat man mich auf dieses aktuelle Interview mit einem bulgarischen Arzt aufmerksam gemacht, der genau dasselbe sagt. - Ich stehe übrigens auch auf der Liste der Wahlberechtigten bei mir im Dorf, die seit zwei Wochen am Bürgermeisteramt aushängt. Mein Bürgermeister hat mich neulich sogar gefragt, ob ich wählen gehe. Spontan habe ich ja gesagt, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Wenn die Legitimation des Staates in Frage zu stellen strafbar ist, was bleibt mir dann noch, als zum Nichtwähler zu werden?
Foto&Text TaxiBerlin
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen