Individuelles T-Shirt in Sofia
Was mir am meisten fehlt, seit ich kein Taxi mehr fahre, ich hatte das schon mehrfach erwähnt, sind die Gespräche, der Austausch mit den unterschiedlichsten Menschen. Früher ergaben sich diese Gespräche, dieser Austausch praktisch von selbst bei mir im Taxi. Heute muss ich aktiv auf Menschen zugehen, sie ansprechen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Auf dem Balkan ist das viel einfacher als in Deutschland, wo jeder denkt, er wäre so individuell, obwohl auch dieser Blödsinn in Bulgarien im Kommen ist, allerdings nur in Sofia und am Meer, wo man es sich von den Ausländern abschaut. Was Berlin angeht, hat Rainald Grebe es in seinem Song über den Prenzlauer Berg auf den Punkt gebracht: "Sie sehen alle gleich aus - irgendwie individuell." - So auch obiges T-Shirt in Sofia, dessen Träger ich nach einiger Überwindung ansprach und mit ihm ins Gespräch kam. Es stimmt wirklich, es fällt mir schwer, einfach auf Menschen zuzugehen, sie anzusprechen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Auch ich habe Angst vor Ablehnung. Abgelehnt zu werden ist für die allermeisten sehr schlimm. Neulich habe ich in einem Buch gelesen, dass das der Grund sei, dass niemand mehr auf den anderen zugeht und ihn einfach anspricht. Für mich kann ich das auf jeden Fall bestätigen. Da ich nicht bei den asozialen Medien bin, ich habe nur diese Seite, kein Facebook, kein Instagram und was es da noch so alles gibt, bin ich gezwungen, auf andere Menschen zuzugehen, sie anzusprechen, insbesondere in der Fremde. So habe ich es auch mit dem Träger des obigen T-Shirts getan, der jetzt kein Fremder mehr für mich ist. Sein Name ist auch Rumen, und obwohl er offensichtlich etwas gegen amerikanische Milliardäre hat, ist er ein Fan der USA. Da ich seit einiger Zeit nicht nur halber Deutscher und halber Bulgare, sondern auch halber Amerikaner bin, hat mich das natürlich interessiert. Selbstverständlich ist für ihn, also Rumen, die USA auch ein Imperium, das immer noch die Welt beherrschen will, und dies ja auch lange getan hat. Das sei natürlich nicht in Ordnung, aber Imperien gibt es immer wieder, und dann ist doch eines, das weit weg ist, einem gleich um die Ecke, damit war wohl das Osmanische Reich gemeint, das Bulgarien viele Jahre einverleibt hatte, vorzuziehen. Das fand ich interessant, denn so hatte ich Amerika zuvor noch nie gesehen gehabt. Nach kurzer Überlegung gab ich zu bedenken, dass ein Krieg des Imperiums um die Ecke in der Ukraine auch nicht gerade das Gelbe vom Ei sei. Das hatte nun Rumen offensichtlich noch nie so gesehen. Jedenfalls musste auch er erst einmal darüber nachdenken. Während er nachdenkt, will ich rasch etwas zum T-Shirt sagen. Ich habe etwas gebraucht, um zu realisieren, wer da abgebildet ist. So weit sind die USA, ist Amerika und seine Milliardäre mittlerweile weg für mich.
Foto&Text TaxiBerlin
Da bliebe ich hängen beim Lesen: "ein Fan von". Hier von den USA. Mir ist es nie gelungen ein Fan von etwas zu sein oder jemandem, geschweige denn von einem Land. Auch mein "Vaterland" eignet sich nicht dazu mich zu einem Fan werden zu lassen. Auftritte von populären Bands habe ich soweit es ging gemieden, ich fühle mich in Menschenansammlungen nicht wohl, deshalb besuche ich auch keine Sportveranstaltungen. Wäre ich ein Fan, wenn ich es getan hätte? Mein Bruder ließ sich das Logo des KSC auf die rechte Wade stechen. Er war über alle (Transfer-)Bewegungen seines Lieblingsvereins im Bilde, besuchte jedes Spiel, ging mit in die dritte Liga und feierte jeden Aufstieg mit seinen Fan-Genossen (gibt es so einen Begriff?).
AntwortenLöschenFan sein von ... Kann dies ein Lebensinhalt sein? Oder einer von vielen, je nach Ausmaß an Zeit, das man diesem widmet? Und dann: Welchen Teil der USA meint dieser Rumen, wenn er sagt, er sei Fan? Die Natur? Die Oligarchie? Das Elend? Die Gewalt? Den Imperialismus? Die Verfassung? Die Waldbrände? God's own country?
Rumen war vor allem Fan vom amerikanischen Traum, und zwar dem vom Tellerwäscher vom Millionär, jetzt wohl Milliardär, und dass ein jeder es schaffen, wenn er es nur wirklich will.
AntwortenLöschenAuch ich tue mich mit dem Fan-sein schwer. Bin ich ein Fan von Bob Dylan, weil ich seine Songs mag? Am Ende dürfte diese Frage aber nur eine Ablenkung vom Eigentlichen sein.
Was mir klar zu sein scheint, ist der Umstand, dass ein jeder irgendwo dazugehören möchte. Der Mensch ist ein soziales Wesen, wie übrigens der Esel auch. Das Fan-sein ist so gesehen ein Konstrukt, dessen sich Menschen dafür bedienen.
Ein Mensch, der nirgends dazu gehört, der ganz bewusst nirgends dazugehören möchte, ist auch nicht gerade zu beneiden. Erst einmal, weil wie gesagt der Mensch ein soziales Wesen ist. Dann aber auch, wenn die Vereinzelung des Einzelnen, Atomisierung ist der Fachbegriff, so weit fortgeschritten ist, dass der Mensch darauf angewiesen ist, sich sogar einen Freundschaftsdienst kaufen zu müssen, weil er keine Freunde mehr hat.
Dann geht es auch nicht mehr um den Sport, Fans und Fan-Clubs sind dann an erster Stelle Wirtschaftsobjekte und potenzielle Kunden von Textilherstellern und Tattoo-Studios, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Beim Verein der Zeugen Coronas geht es ja auch vor allem darum, möglichst erfolgreich eine Impfung zu verkaufen, die diesen Namen nicht verdient, erlaube ich mir aus aktuellem Anlass hinzuzufügen.