Gestern war ich mit meinem Nachbarn in Montana. Er hat sein Dach machen lassen und auf die drei Euro-Paletten, auf denen man ihm Ziegel geliefert hatte, war jeweils 30 Lewa (15 Euro) Pfand. Ich habe die Gelegenheit genutzt und bin bei ihm mitgefahren. Als professioneller Fahrer gibt es für mich nichts schöneres, als von einem Profi chauffiert zu werden. Mein Nachbar ist ein solcher Profi, der altersentsprechend wie ein Rentner fährt, was ich spätestens in Bulgarien zu schätzen gelernt habe. Hinzu kommt, dass er einen Opel fährt, was auch ich am liebsten gefahren bin. Es ist die einzige Marke, von der ich zwei Autos mein Eigen genannt habe. Während mein Nachbar seine Paletten zurückbrachte, war ich auf dem Flohmarkt, der immer Montag vormittag in Montana stattfindet. Dort habe ich das Taxischild gefunden, an dem ich nicht vorbeigekommen bin. 25 Jahre im Taxi gehen nicht spurlos an einem vorbei. Da ist immer noch dieser Phantom-Schmerz. Wenn der Schmerz nachlässt, wüsste man, wie tief er gesessen hat, hat Wolf Biermann mal gesagt, was ich bestätigen kann. Taxifahren war mein Leben, das ist keine Übertreibung. Dieses Leben ist vorbei, und das tut weh, immer noch. Nachdem vor wenigen Tagen der Uber-Whistleblower bestätigt hat, was ich schon immer wusste, und zwar das Uber eine große Lüge ist (Mark McGanns genaue Formulierung war "Wir haben den Leuten in Wirklichkeit eine Lüge verkauft."), kam etwas Wehmut auf beim Anblick des zweisprachigen Taxi-Schilds. Wie alles im Leben, so hat auch eine Lüge seine zwei Seiten. Es bedarf dazu Menschen, die diese Lüge gerne glauben und kaufen, denn bei der Uber-Lüge geht es an erster Stelle ums Kaufen, es ist die Neuauflage der "Geiz ist geil" Lüge von Saturn. In Bulgarien hat man dieser Lüge nicht geglaubt, weswegen es kein Uber gibt, sondern nur Taxis. Mein Taxi gestern war mein Nachbar - noch. Nicht nur ich überlege mir jede Fahrt, und ob ich sie noch leisten kann. Am Donnerstag muss ich nach Sofia, wo ich meine Frau abholen werde, die früher auch Taxi gefahren ist, und zwar in New York, wo Uber das Taxigewerbe schon vor Jahren platt gemacht hat, was aber schon wieder eine andere Geschichte ist. Einmal in Sofia nehmen wir bei der Gelegenheit die Frau meines Nachbarn und die Enkeltochter mit auf unser Dorf, die sich vor den Dacharbeiten dort in Sicherheit gebracht hatten. Am Donnerstag bin ich wieder der Taxifahrer. Das Taxischild stelle ich aber besser nicht auf mein Auto. Davon hat mir mein Nachbar heute abgeraten, auf dessen Opel ich es für einen Moment gestellt hatte, aus alter Gewohnheit. Er hielt das für keine gute Idee. Die Polizei könnte auf die Idee kommen, dass er ein Schwarz-Taxi sei. Seine Sorge ist nicht unberechtigt. Im Gegensatz zu Berlin gibt es in Bulgarien Kontrollen, auch wenn in der Heimat immer das Gegenteil behauptet wird. Auch das eine Lüge. Spaziergänger werden kontrolliert, aber keine Schwarz-Taxen, insbesondere nicht, wenn sie aus dem Silikon Valley kommen. Uber hält das, was es in der Vergangenheit getan hat, und wovon jetzt jeder durch die "Uber Files" erfahren hat, für "unentschuldbar", was praktisch ist, weil man sich dann nicht entschuldigen muss. Man soll das Unternehmen daran messen, so die Bitte von Uber, was es in Zukunft tun wird. Das tue ich gerne und übertrage die Bitte dazu noch auf die Berliner Behörden, die deutschen Medien und auf alle Uber-Fahrgäste. Aber eigentlich würde es vollkommen ausreichen, wenn Uber sich an Recht und Gesetz hält, die Behörden wie in Bulgarien endlich mit Kontrollen beginnen, die Medien ihre falsche Berichterstattung beenden und die Uber-Fahrgäste einsehen, das Geiz nicht geil, sondern falsch ist. Es war damals bei Saturn falsch, und es ist heute bei Uber falsch.
Fotos&Text TaxiBerlin
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen