Morgen kommen Joachim und seine Frau, die durch meinen ersten Artikel „Bulgarien – die große Freiheit“ auf Multipolar auf das Land am Rand und auf mich aufmerksam geworden sind, in die Schluchten des Balkans. Übermorgen kommen sie mich in der ärmsten Region im Nordwesten besuchen, die erste Nacht verbringen sie in Sofia. Ich freue mich schon sehr, die beiden persönlich kennenzulernen. Was Sofia angeht, sei der Blick auf das Vitosha-Gebirge erwähnt, den man aber nicht verpassen kann. Am Ende des gleichnamigen Boulevards gibt es seit einiger Zeit ein Denkmal des von mir geschätzten Autors Aleko Konstantinow, der nicht nur eines der von mir herausgegebenen Bücher von ihm, und zwar den „Bai Ganju“ unter dem Arm hält, sondern darüber hinaus ganz bewusst Richtung Gebirge blickt. Aleko war ein großer Fan der bulgarischen Gebirge, die er ohne Übertreibung als „Die bulgarische Schweiz“ bezeichnete. Ist man einmal am Ende des Boulevard „Vitoshas“ angekommen, sollte man unbedingt weitergehen. Hinter dem „Nationalen Kulturpalast“ spielt traditionell und „open air“ mein Freund der Dudelsackspieler, er ist dort so eine Art Institution, auf der „Brücke der Verliebten“, vorausgesetzt das Wetter erlaubt es. Ihn habe ich vor jetzt fast 30 Jahren auf der Straße kennenglernt. Damals gab es noch kein Internet. Es folgt der vorerst letzter Bericht von Joachim aus Bremen, der wie gesagt durch meinen ersten Bericht im Internet auf „Bulgarien - die große Freiheit“ und auf mich aufmerksam geworden ist. Seinen „Bericht aus Bremen“ hat er mir übers Internet per e-mail zukommen lassen hat. Es ist deswegen sein vorerst letzter Bericht aus der Stadt an der Weser, weil er morgen zusammen mit seiner Frau nach Bulgarien aufbricht, wozu ich ihnen „Guten Flug!“ wünsche.
Bericht aus Bremen (4)
Natürlich gibt es auch andere Dinge zu erledigen. Nicht nur jene, die sich um Bulgarien drehen. Aber es reizt mich schon, in den von Rumen vorgeschlagenen Büchern zu lesen und mehr darüber zu erfahren, was dieses Land ausmacht.
Gefunden habe ich in „Vaters Land“ einige Hinweise darauf, wie das Leben dort in der Zeit des Kommunismus verlief. Wie dieser Vater seine Liebe zur deutschen Sprache nutzte, um sich vor der bulgarischen Wirklichkeit zu schützen. Für die Tochter allerdings hatte dies zur Folge, dass sie von bulgarischen Spielkameraden abgeschottet wurde. Fast aus Trotz begann sie, Bulgarien zu lieben. Ihre Liebe zum Land musste sie dem Vater gegenüber allerdings geheimhalten. Heute jedoch kann sie schreiben: „Bulgarien ist nichts für verbohrte, verkopfte, prüde Ordnungsfanatiker. Und schon gar nichts für solche, die ständig ein Haar in der Suppe suchen. Man muss sich der Unberechenbarkeit dieses Landes stellen wollen, denn Bulgarien ist eine Schule der Überlebenskunst.“
Ist das „Bulgarienkitsch“, wie mir eine Besprechung zu diesem Buch weismachen will? Ich kann es nicht sagen. Interessant fand ich ihre Schilderungen zu den sogenannten „Sohnesmüttern“. Darin zeigt sie auf, wie schwer es ist für die Schwiegertöchter gegen diese enge Bindung von Mutter und Sohn, also ihrem Ehemann, anzukommen. Und die ihr fehlende Liebe und Zuneigung kompensiert sie später, wenn sie selbst Mutter eines Sohnes ist. „Die enttäuschte junge Ehefrau, im stummen Schweigen böse auf ihren Ehemann und seine allgegenwärtige Mutter, wird wiederum ihren Sohn genauso für sich vereinnahmen, wie es die verhasste Schwiegermutter seinerzeit mit ihrem Mann getan hat.“
Gut, dass ich schon verheiratet bin. Dieser Situation muss ich mich nicht aussetzen. Dennoch bin ich neugierig, ob diese Beschreibungen zum bulgarischen Mann zutreffend sein werden. Alles Muttersöhnchen mit Macho-Gehabe? Wird wahrscheinlich nicht zutreffen wie so viele Verallgemeinerungen und Pauschalurteile über Männer.
Wir haben noch vier Tag bevor unser Flug von Frankfurt aus startet. Die Route wurde uns schon etwas genauer mitgeteilt, zumindest was die Orte und die Stadtführungen anbelangt. Die Namen und Adressen der Hotels erhalten wir bei Ankunft von unserem „Guide“ am Flughafen in Sofia. Ich hatte Rumen gefragt, was ich mitbringen könnte aus Deutschland. Ob ich dabei doch wieder an das „Armenhaus Europas“ dachte, kann ich nicht sicher verneinen. Ich dachte mir, es könnte etwas geben, das er dort in den Schluchten des Balkans vermisst. Vollkornbrot vielleicht oder „gute“ Butter oder eine bestimmte Sorte Kaffee? Alles Blödsinn, fiel mir ein, es gibt dort Lidl und Co., wo man das auch kaufen kann.
Ich könne ihm was von Bremen mitbringen aber nichts Gekauftes oder Neues. Irgendetwas, das als Andenken dienen könnte. Die Miniatur Bremer Stadtmusikanten aus dem Bremer Devotionalienladen durften es also nicht sein. Auch nicht die Bremer Babbeler, Bremer Kaffeebrot oder Bonbons aus der Bremer Bonbonmanufaktur. Ebenso kommt dann nicht mehr in Frage der Bremer Klaben oder die Bremer Senatskonfitüre, der Bremer Schnoorkuller und die Bremer Kluten. Wäre ja alles gekauft und (hoffentlich) neu.
Was tun? Ich kann die Stadtmusikanten (alt, abgegriffen) nicht abmontieren und mit in die Schluchten des Balkans nehmen. Mein Gepäck hat eine Obergrenze von 23 kg. Typische Bremer Klinkersteine, wie sie an den Fassaden der alten Bauten zu sehen sind, wären nun auch nicht besonders leicht. Und Fisch aus der Weser? Ich weiß nicht so recht. Also keine Kunst, kein Baumaterial und nichts Essbares.
Hier in Bremen gibt es einen großen Platz, der für allerlei Veranstaltungen zur Verfügung steht, die Bürgerweide. Tatsächlich war dieser Platz bis ins 19. Jahrhundert eine Weidefläche wohin Bremer Bürger ihre Pferde und Kühe treiben durften. Heute findet dort jeden Sonntag ein Flohmarkt statt, wo zwar auch neue Dinge angeboten werden, doch größtenteils Altes und Gebrauchtes. Ich werde die Zeit nutzen und mich dort umsehen. Vielleicht fällt mir etwas auf, das den Vorgaben Rumens genügen wird.
* Ein Bild gibt es auch dazu. Darauf ist „Duni“ zu sehen, ein junger Mann aus Moldavien, den ich angesprochen habe, weil ich verstand, er käme aus Bulgarien… Er bot mir gleich an, mir zu helfen, wenn ich einmal in seiner Heimat Urlaub machen wollte und tauschte mit mir seine Telefonnummer. So schnell gewinnt man „Freunde“.
Foto&Text JoachimBremen
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