In Bulgarien ist gerade Ostern, und da isst man traditionell Lamm. Solche Traditionen können mitunter auch ziemlich nerven, denn man bekommt Lamm oder überhaupt Schaffleisch praktisch nur jetzt, also zumindest frisch und nicht tiefgefroren. Schweinefleisch gibt es immer in Bulgarien, und obwohl einiges davon aus Deutschland rangekarrt wird, wie ich von einem LKW-Fahrer aus meinem Dorf weiß, ist Schweinefleisch mit sechs bis zehn Lewa (drei bis fünf Euro) das Kilogramm vergleichsweise preiswert. Lammfleisch kostet dagegen 23 Lewa (11,50 Euro) das Kilogramm, was möglicherweise auch am Krieg liegt. Bald werden wohl auch wir Sätze sagen, die mit: „Ja damals, vor dem Krieg ...“ beginnen.
Lammfleisch ist nicht nur vergleichsweise teuer, sondern man muss auch immer gleich ein halbes Lamm oder zumindest eine Keule kaufen. Unter dem macht es der Bulgare nicht, feiert er kein Ostern. Auch weil ich ja nur halber Bulgare bin, hat es bei mir nur zu einem Lammkopf gereicht. Lammkopf gab es früher nicht nur auf dem Dorf, woher ich es kenne, sondern war eine Spezialität in ganz Bulgarien. Auch in den Städten hat man früher Lammkopf gegessen.
Heutzutage ist Lammkopf schwer zu bekommen in einem bulgarischen Restaurant. Die jungen Leute von heute kennen auch in Bulgarien nur noch Pizza, Burger und Döner (bulgarisch: Djuner). Auch das spricht für den Lammkopf, also die Erweiterung des kulinarischen Horizontes, und natürlich der Preis. Ein Lammkopf = ein Kilo = fünf Lewa (zwei Euro fünzig). Ich glaube, beim Türken in Berlin kostet der Lammkopf fünf Euro, also 1:1, wir sind ein Volk, die Bulgaren mit ihrem Lewa und der Deutsche mit seinem Euro. Aber vielleicht war fünf Euro auch der Vorkriegspreis, wer weiß ...
Bei uns zu Hause gab es regelmäßig Kaninchenköpfe, auch deswegen habe ich mit einem Lammkopf kein Problem. Der Ehrlichkeit halber muss und aus aktuellem Anlass kann ich sagen, dass an so einem Lammkopf nicht viel dran ist – praktisch kaum mehr als an einem Kaninchenkopf. Der Unterschied zu früher, also zu den Kaninchenköpfen, ist, dass ich diesmal dass Hirn meines Lammkopfes verschmäht habe. Anfangs glaubte ich, es würde daran liegen, dass ich aus dem Lammkopf eine Suppe gemacht habe, und dass sich Hirn für eine Suppe nicht eignen würde, im Gegensatz zur Wurst (Bregenwurst). Aber mittlerweile glaube ich, dass es einen anderen Grund gibt.
Mir fiel nämlich ein, dass ich irgendwo gelesen hatte, dass Krieger das Hirn ihrer getöteten Feinde essen würden. Keine Ahnung, ob das heute noch der Fall ist. Wenn, dann kann so etwas nur der Russe machen, davon bin ich ganz fest überzeugt, also mein Unterbewusstsein. Und deswegen glaube ich, dass ich das Hirn von meinem Lammkopf verschmäht habe, um mich vom Russen abzugrenzen. Es geht heutzutage schneller als man denkt und, zack, ist man plötzlich prorussisch, gar ein Putin-Versteher und am Ende nicht einmal mehr ein Europäer. Und da ich als Halbslawischer Deutscher da sowieso schon vorbelastet bin, wollte ich auf Nummer sicher gehen. Damit niemand in der Heimat bei meiner Rückkehr sagen kann: „Seht her, da kommt er, der Untermensch!“
Foto&Text TaxiBerlin
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