19.3.22

Bericht aus Bulgarien (87)

Mein Marteniza-Schrein

Auch ich habe ein Teil meines Geldes in Gold angelegt. Da ich so gut wie kein Geld habe, habe ich praktisch auch kein Gold. Immerhin zu drei kleinen Münzen hat es gereicht, die allerdings kunstvoll verpackt sind. Man merkt, dass der Verpackungskünstler Christo Bulgare war. Die Verpackung war auch das teuerste, das ist leider auch wahr. Jede meiner Goldmünzen hat heute den Wert einer warmen Mahlzeit, immerhin. Keine Ahnung, wie es morgen aussieht. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Dessert oder gar noch eine Vorspeise dazu kommen. Meine Goldmünzen sind aber nicht einfach nur kunstvoll verpackt, sondern liebevoll in einen Marteniza-Glücksbringer eingearbeitet. Dort liegen sie zu Füßen der dargestellten Personen, ein Esel ist auch dabei, damit ein Dieb es nicht sogleich als Gold erkennt. Für mich sind meine drei Martenizas aber nicht einfach nur Glücksbringer, die den Frühling ankündigen, sondern sie sind mir darüber hinaus auch heilig. Es ist als keine Übertreibung, wenn ich von meinem Martenzia-Schrein spreche. Zumindest bete ich ihn dreimal am Tag auf dem Kopf stehend an. Das auf dem Kopf stehen ist wichtig, weil in Bulgarien alles umgedreht ist: Ja ist Nein, Nein ist Ja, Weiß ist Schwarz, Schwarz ist Weiß und mit zwei Jahre Garantie sind immer nur zwei Meter vom Geschäft gemeint. Wenn man das weiß, hat man den Balkan praktisch verstanden, oder zumindest halb.

Foto&Text TaxiBerlin

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