27.2.22

Bericht aus Bulgarien (60)

 

Am Mittwoch in Sofia

Auch in Bulgarien gibt es Polizisten, die eine Kampfausrüstung ihr Eigen nennen. Das Land ist zwar nicht reich, aber so arm nun auch wieder nicht. Die meisten Polizisten, die am Mittwoch zum zweiten nationalen Protest vor dem Ministerrat in Sofia waren, trugen trotzdem ganz normale Kleidung. Nur wenige hatten ihre Kampfmontur dabei, und noch weniger trugen sie auch. Masken haben auch Polizisten kaum getragen. Abstände waren und sind kein Thema in Bulgarien. Überhaupt ist soziale Distanz hier bis heute unbekannt. Auch auf Demonstrationen spricht man gerne miteinander, und nicht übereinander, selbst wenn man scheinbar auf der anderen Seite steht. Scheinbar auch deswegen, weil die allermeisten Polizisten die Forderungen der Protestierenden teilen dürften. Am Mittwoch ging es nicht nur gegen den Grünen Pass und die Masken, beides soll am 20. März fallen, dem "Den na Svobodata" (Tag der Freiheit) in Bulgarien. Diesmal demonstrierte man auch gegen die steigenden Preise und die drohende Inflation. Ich selbst habe schon einmal eine miterlebt in Bulgarien, das war 1996/97, da waren am Ende des Jahres 1.000 Mark nur noch eine wert. Selbst der bulgarische Finanzminister rechnet mit sechs bis acht Prozent Inflation, und der muss es wissen, denn er hat in Harvard studiert. Ich bin mir sicher, dass er sich bald nach oben korrigieren wird, weil er seine Prognose noch vor den Kampfhandlungen in der Ukraine abgab. Genau darüber hat sich die Frau am Mittwoch vor dem Ministerrat mit dem netten Polizisten unterhalten, der ihr Sohn hätte sein können.

Foto&Text TaxiBerlin

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