22.10.21

„Kaffee mit Pretenzija“


Gestern war ich in den Schluchten des Balkans im Theater. Das Stück hieß „Kaffee mit Pretenzija“ und ist von Georgi Markow, der durch das Regenschirm-Attentat auf der Waterloo-Bridge in London in den Siebzigern bekannt geworden ist, dem er zum Opfer gefallen ist. Vorgestern am Telefon sagte man mir, dass das Stück ausverkauft sei, und dass man einen Grünen Pass brauchen würde, um ins Theater zu kommen. Das wollte ich genauer wissen. Ich fuhr in die Stadt und warte vor dem Theater. Es dauerte nicht lange, dann hatte ich eine Eintrittskarte. Eine Frau verkaufte sie mir, ihre Freundin hatte nach einer Beerdigung keine Lust mehr auf Theater. (Kostenpunkt 14 Lewa, also 7 Euro) Im Theater waren wir vielleicht 250 Seelen, wie man in Bulgarien sagt. (In Bulgarien gilt in der Panikdemie halbe Kapazität.) Alle waren sie noch am Leben und erfreuten sich bester Gesundheit. Ein Drittel von ihnen trug eine Maske, nach einem Grünen Pass wurde niemand gefragt. Es wurde auch niemand angesprochen wegen der Maske. Da ich mit Maske keine Luft bekommen, setze ich so gut nie eine auf. Dreimal in einem halben Jahr wurde ich darauf angesprochen, immer höflich und nett, wie es sich gehört. Nicht so wie in Deutschland,  wo ich angeherrscht, angeschrien und beleidigt wurde, und wo es nur noch eine Frage der Zeit war, dass man mir wegen ohne Maske aufs Maul gehauen hätte. Einen solchen Maskenmob gibt es in Bulgarien nicht. Im „Land oft the Freaks“, wie Bulgarien unter Insidern auch genannt wird, ist ein solches Verhalten undenkbar. Es ist dem bulgarischen Naturell so fremd wie dem Deutschen die Empathie, die Mitmenschlichkeit geworden ist. Nicht umsonst sage ich immer, dass Bulgaren „Die Große Freiheit“ ist. Das ist keine Übertreibung. Doch zurück zum Stück „Kaffee mit Pretenzija“ von Georgi Markow, das im „Theater der Bulgarischen Armee“ aufgeführt wurde. Es ist ein Drei-Personen-Play, um genau zu sein drei Männer, die auf drei Frauen warten, die sie am Tag zuvor bei einer Tasse Kaffee, deswegen „Kaffee mit Pretenzija“, kennengelernt haben, die aber nicht kommen. Dafür klingelt ständig jemand an der Tür, der fragt, ob das ihr Trabant vor der Tür wäre. Das ist sozusagen der Running-Gag vom Stück. Auch das ein eher unbulgarisches Verhalten. Obwohl, wenn ich es mir Recht überlege, vielleicht doch nicht. Vielleicht hat sich jemand wirklich Sorgen gemacht wegen dem Trabant des Nachbarn. Aber wer weiß. Was ich weiß, ist, dass offiziell der Grüne Pass eingeführt ist im Land, aber eben nicht überall. Immerhin die Eintrittskarten waren grün.

Foto&Text TaxiBerlin

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