19.10.21

Ich habe Angst, Mama


Ab hier beginnt die Realität

Auch ich habe Angst, und ich habe lange überlegt, wovor genau ich Angst habe. Anfangs hatte ich vor dem Virus Angst. Dass unsere Regierung diesen am Anfang verharmloste, verstärkte meine Angst nur noch. Je mehr ich über den Virus erfuhr, desto kleiner wurde meine Angst vor ihm. Trotzdem nahm meine Angst insgesamt nicht ab. Die Summe meiner Ängste blieb aber nicht nur auf hohem Niveau, sondern wuchs sogar eher noch. Ich war in einem Angstmodus gefangen, meine Ängste beeinträchtigten mein Denken. Auch Urängste waren angetriggert. Das erschwerte die Analyse, wovor ich genau Angst hatte, zusätzlich. Hinzu kam die Angst um meine Existenz. Mein Chef hatte Ende letzten Jahres seine Firma aufgelöst. Ich hatte aber nicht nur meinen Job verloren, sondern es gab praktisch von einem Tag auf den anderen Tag keine Arbeit mehr für mich. Dann war da auch noch die Angst, nur weil ich bestimmte Gedanken und Überlegungen im Kopf hatte, plötzlich ein Verschwörungstheoretiker, ein Querdenker, ein Coronaleugner, ein Covidiot, ein Aluhut, ein Schwurbler, ein Antisemit und ein Nazi zu sein. Die größte Angst war aber die, damit ganz alleine dazustehen, nirgendwo mehr dazuzugehören.

Ich sprach mit vielen Menschen, Freunden, Bekannten, Kollegen, so wie ich es zuvor im Taxi getan hatte. Ich informierte mich, betrieb Recherche, hörte mir unterschiedliche Argumente an, wägte sie ab, ging in mich, dachte viel nach. Das war ein Prozess von Wochen und Monaten, voll von Angst und Selbstzweifeln. Die jahrelange Praxis, dass in meinem Taxi ein jeder alles sagen durfte, und ich mir auch alles angehört habe, half mir nun sehr, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Das ganze unvoreingenommen, nicht davon ausgehend, es selbst besser zu wissen, die Wahrheit sozusagen für mich gepachtet zu haben, sondern immer auch die Möglichkeit einschließend, dass ich falsch liegen könnte. Ich besuchte auch immer wieder Demonstrationen, sowohl in Sofia als auch in Berlin, um mir mein eigenes Bild zu machen, das mit dem, was darüber bei Öffentlich/Rechtlich und in vielen anderen Medien berichtet wurde, so rein gar nichts mehr zu tun hatte. Und irgendwann fing ich an, wieder meinen eigenen Beobachtungen, meinen eigenen Gedanken, meinem Wissen, meiner Lebenserfahrung, meinem eigenen Denken, meinem Verstand und meinem Instinkt zu vertrauen. Auch wieder mit der Angst im Kopf, damit alleine dazustehen – vielleicht das schwierigste überhaupt.

Ich realisierte nach und nach, dass es realistischer für mich ist, mehr Angst vor dem Impfstoff als vor dem Virus zu haben. Vor dem Virus habe ich praktisch keine Angst mehr. Die größte Angst machen mir aber bis heute Menschen, die aus Angst und im guten Glauben daran Gutes zu tun, die richtige Haltung zu haben, auf der richtigen Seite zu stehen, zu allem bereit zu sein scheinen, auch zu körperlicher Gewalt. Mir hat sehr geholfen, über meine Ängste zu sprechen. In dem Moment, wenn man sich öffnet, wenn man offen und ehrlich über seine Ängste spricht, finden sich auch die richtigen Menschen ein. Menschen, die mit dieser Offenheit umgehen können. Dieses sich Öffnen ist auch immer mit Angst verbunden, weil man immer auch Menschen verliert, was schmerzhaft ist. Ich will das nicht verschweigen, denn es gehört zum sich Öffnen dazu. Und trotzdem lohnt es, sich auch dieser Angst zu stellen. Am Ende wird man für seine Offenheit und Ehrlichkeit belohnt. Das ist zumindest meine Erfahrung. Ich habe neue Menschen kennengelernt und bin alles andere als alleine. Es gibt jede Menge Menschen da draußen, die dieselben Ängste haben. Und wer vorgibt, sie nicht zu haben, auf den verzichtet man besser, denn der hat das alles noch vor sich. Nicht er selbst stellt sich dir, aber vor allem sich selbst, in den Weg, sondern seine Angst. Auch deswegen kann ich jedem nur Mut machen, offen und ehrlich über seine Ängste zu sprechen.

Foto&Text TaxiBerlin

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen