19.1.21

Leben in Zeiten von Corona - Heute: Unser gegenwärtiges Antlitz

 

So sieht es aus

Auch im Winter bei leichtem Nieselregen und Minusgraden komme ich als Trockener Taxifahrer, dem mittels staatlich organisierter Kriminalität (Danke liebe Bundesregierung dafür!) die Fahrgäste abhanden gekommen sind, und dessen Chef wegen dem Lockdown, der das bereits miese Geschäft praktisch zum Erliegen brachte, seine Wagen verkaufen muss und mich damit seit März arbeitslos gemacht hat (auch hierfür vielen Dank!), einfach nicht weg von der Straße. Heute bin ich auf den Straßen und Plätzen nicht mehr mit meinem Taxi, sondern mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs. Als Fußgänger traf ich gestern einen ganz alten Kollegen, der mit mir vor mehr als 25 Jahren den Taxischein gemacht hat, und der auch zu Fuß unterwegs war. Im Gegensatz zu mir fährt der Kollege noch Taxi, aber nur um seinem Chef einen Gefallen zu tun. Bisher war es nämlich so, dass sein Chef ihm, der nur fünf Schichten im Monat für seinen Lebensunterhalt brauchte, immer sehr entgegengekommen ist. Damit dieser seine Taxifirma jetzt nicht dichtmachen muss, wie mein Chef und viele andere Taxiunternehmer es mussten, fährt er auch jetzt in der Plan-Demi für ihn, und zwar doppelt so viel wie vor der Krise, also zehn Schichten pro Monat. In einer Schicht, das sind zehn bis zwölf Stunden im Taxi, macht er manchmal nur 30 (dreißig!) Euro Umsatz. Eine knappe Stunde unterhielt ich mich mit dem alten und guten Kollegen bei leichtem Nieselregen auf dem Bürgersteig vor seinem Mietshauses in unserem gemeinsamen Kiez über Gott und die Welt. Das schöne daran war, dass wir über wirklich alle Themen sprechen konnten, eben über Gott und die Welt. Das ist ja heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Viele Menschen sagen bei bestimmten Themen, dass sie über die nicht mehr reden würden, weil sie es nicht mehr hören könnten. Das ist einerseits verständlich, andererseits aber auch irgendwie lächerlich, weil es meist dieselben sind, die behaupten, dass alle Themen breit und öffentlich diskutiert werden würden. Dass dies nicht der Fall ist, das ist nun ja schon beim Spiegel angekommen, und dann wird es wohl auch stimmen. Mit meinem guten und alten Kollegen sprach ich gestern, bevor ich den Artikel gelesen und kommentiert hatte. Unser Gespräch hat also damit nichts zu tun. Der Kollege bestätigte aber das, was dann später in dem Spiegel-Artikel stand. Aber nicht nur das. Der gute alte Kollege ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass es viele Menschen gibt, die eine breite und öffentliche Diskussion wünschen, weil genau diese bisher eben nicht stattgefunden hat. Keiner ist also mit seinen Zweifeln alleine, ganz im Gegenteil. Und wer bisher keine Zweifel hatte an der Politik unserer Regierung, an den Maßnahmen und an dem, was in den Medien steht, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen. So würde ich es jetzt mal ganz, ganz, ganz vorsichtig formulieren.

Foto&Text TaxiBerlin

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