19.10.23

Zurück in Bulgarien (087) - "Gentleman Agreement"


Auf der Reklame für die Biermarke "Almus" am Eingang zur Dorfkneipe hängen neuerdings Wahlplakate. Am 29. Oktober sind in Bulgarien Kommunalwahlen, ich erwähnte das bereits. Am unteren Rand wird der Leser darüber informiert, dass der Kauf und Verkauf von Stimmen ein Verbrechen ist. Die Plakate sind von der Partei "Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens" (GERB) des ehemaligen Ministerpräsidenten und Freundes von Angela Merkel Boiko Borissov. Bruder Boiko, wie er von seinen Anhängern genannt wird, ist neulich durch die Aussage aufgefallen, dass er der jetzigen Regierung mittels Misstauensvotums das Vertrauen entziehen und damit Neuwahlen erzwingen könnte. Der Witz an der Sache ist, dass er mit besagter Regierung der Partei "Wir setzten den Wandel fort" (PP) ein "Gentleman Agreement" hat. Eigentlich hatte Boikos Partei GERB die letzten Wahlen gewonnen, denn seine Partei hat die meisten Stimmen bekommen. PP war zweiter und kam erst danach. Trotzdem hat sich GERB mit PP darauf geeinigt, dass PP die ersten 18 Monate regieren darf und danach GERB die nächsten 18 Monate. Wie man auf 18 Monate gekommen ist, ist bis heute ungeklärt. Eigentlich ist man in Bulgarien für vier Jahre also 48 Monate gewählt. Ein noch größeres Geheimnis ist das mündliche "Gentleman Agreement" anstelle eines schriftlichen Koalitionsvertrags. Aber gut, anderseits sind mittlerweile auch in Deutschland Gesetze und Verträge nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben stehen. Vielleicht sollte man sich auch in der Heimat schon mal an "Gentleman Agreements" gewöhnen. Mein Bürgermeister, das ist der auf dem unteren, kleineren Wahlplakat, schwört auf Bruder Boiko, weil der noch abgeben würde. Dass er abgibt, liegt nach Ansicht meines Bürgermeisters daran, dass Boiko ein alter Mafiot ist, der schon satt ist. Schlimmer sind die jungen Mafioten, die noch hungrig sind, so mein Bürgermeister. Einen schriftlichen Vertrag übers Abgeben hat mein Bürgermeister mit Boiko nicht - höchstens ein "Gentleman Agreement".

Foto&Text TaxiBerlin

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