5.8.23

Zurück in Bulgarien (002) - "Ankommen"

Beim bulgarischen TÜV

Das Ankommen in den Schluchten des Balkans ist immer das Schlimmste für mich. Es fängt damit an, dass mir das Fliegen tierisch auf die Nerven geht. Es ist ja auch nicht nur das Fliegen, sondern die ganzen Leute, der wenige Raum, die dämlichen Kontrollen, überhaupt die ganzen Schikanen. Erst muss man sein Wasser wegkippen, dann gibt es aber kein Wasser umsonst auf dem Flughafen. Da reise Schweine humaner. Dafür muss man jetzt durch den Duty Free, man hat keine andere Wahl, wo die Preise höher sind als im KaDeWe. Die meisten halten das für normal, was es aber nicht ist. Der Duty Free war früher preiswerter, deswegen ist man reingegangen. Man hatte die Wahl. Heute hat man sie nicht mehr. Man muss durch die Konsumhölle durch - ob man will oder nicht. Die allermeisten sind so taub bzw. betäubt, die kriegen das gar nicht mehr mit. Das meine ich mit degeneriert. Ich muss immer total aufpassen, dass ich mich nicht auch zurück entwickle. Nichts anderes heißt degeneriert. Denn das kann ich mir nicht leisten, weil ich immer sogleich tausend Sachen erledigen muss hier. Andere kommen an und machen gleich Party oder legen sich erstmal ins Bett. Das geht bei mir alles nicht. Ich muss mich sofort um den TÜV fürs Auto kümmern, vorher eine neue Versicherung abschließen und eine Vignette kaufen. Dazu muss das Auto fahrbereit sein, was es aber nicht war. Ich Idiot hatte die Handbremse angezogen, was man nicht machen darf, und nun war die Bremse blockiert. Erst schien es, dass sie sich gelöst hätte, was sich sogleich als Irrtum herausstellte, aber da stand ich schon auf dem Weg und im Weg. Jetzt war nicht nur die Bremse blockiert, sondern auch der Weg. Es ging weder vor noch zurück. Zum Glück wissen Bulgaren, was sie in einem solchen Fall tun müssen. Der degenerierte Deutsche hätte jetzt den ADAC angerufen und es würde ihn einen Dreck kümmern, dass er im Weg steht. Der Bulgare packt den Wagenheber aus, kurbelt das Auto hoch und baut das Rad ab. Dann schlägt er mit dem Hammer auf das Teil, am dem zuvor das Rad befestigt war und versucht es gleichzeitig zu drehen. Wenn der Weg unbefestigt ist, wie die meisten in Bulgarien, stellt er zur Sicherheit einen Holzklotz unters Auto, damit es nicht auf die Erde knallt, falls durch das Hämmern der Wagenheber wegrutschen sollte. Das sind beim Bulgaren eingeübte Abläufe, da muss ihm keiner was sagen, vor allem kein Deutscher. Verwunderlich ist das nur für einen Insider wie mich, der weiß, dass der Bulgare normalerweise jedes Ding wie zum ersten Mal macht, selbst wenn er sie schon Tausendmal gemacht hat. So schnell, wie das Rad ab war, war es auch wieder dran. Nur der Holzklotz wollte partout unterm Auto bleiben, weswegen er mit dem Vorschlaghammer bearbeitet werden musste. Am Ende hat der dämliche Holzklotz die meiste Arbeit verursacht. Immerhin, er hat sich nicht durchs Fussbodenblech gebohrt - das hätte noch gefehlt. Den Rest hat mein Bürgermeister minutiös geplant. Erst zu Zetzko, die Versicherung abschließen und bezahlen und die Vignette nicht vergessen. Dann zum TÜV zu Goshko, was fast zum Problem geworden wäre, weil ich nicht mehr im System war. Dass ich nicht mehr im System war, lag daran, dass meine Versicherung seit über einem Monat abgelaufen war. Und wenn die Versicherung länger als einen Monat abgelaufen ist, muss man normalerweise einen Tag warten, bis man wieder im System ist. In Berlin wahrscheinlich eine Woche, wenn nicht gar ein Monat. Nicht so beim Bulgaren. Bei ihm reicht es, wenn der Bürgermeister sagt, der Typ wohnt bei mir im Dorf - dann ist man im System. Drei Stunden für Versicherung, TÜV, Vignette inklusive der Operation an der Bremse auf dem unbefestigten Weg vor meiner zugewachsenen Hütte. Das ist eine Zeit, die kann kein anderes Land toppen, vor allem nicht Deutschland. Das musste ich meinem Bürgermeister nicht sagen, der kennt sich aus, der ist nicht degeneriert. Es geht bergab mit Deutschland, und bergab geht es immer langsamer. In den Schluchten des Balkans weiß man das.

Foto&Text TaxiBerlin

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