9.3.21

Leben in Zeiten von Corona - Heute: Der Systemirrelevante

 

Hier im Angebot

Meine letzte Taxischicht war vor ziemlich genau einem Jahr. Das Virus war noch gar nicht so richtig in Berlin angekommen, da machte es sich schon in meinem Taxi breit. Uber hatte dafür den Boden bereitet, das darf bei aller Eile und Hysterie heute nicht vergessen werden. Krisen machen sich am schnellsten im mobilsten Gewerbe, dem Taxi, und im ältesten Gewerbe, der Prostitution, bemerkbar. In gewisser Weise sind Taxifahrer auch Nutten, die jeden an sich ranlassen müssen, denn sie haben, im Gegensatz zur Prostituierten, die Beförderungspflicht. Eine andere Parallele ist, dass weder Nutten noch Taxifahrer Systemrelevant sind. Systemrelevant ist etwas aus der Mode gekommen, heute morgen tauchte es mal wieder im Radio auf. Der Systemrelevante darf aktuell in Berlin seine Kinder früher in die Schule bringen als der Systemirrelevante. Den Systemirrelevanten gab es bis heute nicht. Der Systemirrelevante ist von mir. Ich bin Systemirrelevant, und das ist auch gut und richtig so. Es gibt ein systemirrelevantes Leben, und ich kann es persönlich nur empfehlen. Systemirrelevant lebt es sich leichter. Das heißt aber nicht, dass es Systemirrelevante einfacher oder gar leichter hätten. So ist es nicht. Als Systemirrelevanter steht man nicht nur nicht im Mittelpunkt, sondern man ist praktisch überflüssig oder zumindest unsichtbar. Und trotzdem wurden über den Systemirrelevanten schon Bücher geschrieben, da gab es den Systemirrelevanten noch gar nicht. So etwas passiert immer mal wieder, dass ein Autor über etwas schreibt, das später Wirklichkeit wird. Das heißt aber nicht, dass das, was da einer zuvor schon geschrieben hat, irrelevant wäre. So ist es nicht - im Gegenteil! Du glaubst mir nicht? Dann empfehle ich dir Ilija Trojanows Bestseller "Der überflüssige Mensch" zu lesen. Du musst das Buch nicht bei mir kaufen, kannst es aber, und damit mich, der für das System irrelevant ist, zumindest relevant für dich machen. Ich würde mich freuen darüber.  Also sprach TaxiBerlin, kannste glauben.

Foto&Text TaxiBerlin

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen