1.9.21

Bald in Berlin


Neulich war ich bei Frank und Angelina eingeladen. Dass man eingeladen wird, ist auf dem Balkan nichts besonderes. Das passiert praktisch stündlich. Die Einladung von Frank und Angelina war etwas besonderes, weil ich die beiden zufällig auf einer Ausstellung kennengelernt habe. Eine Ausstellung in der ärmsten Region Bulgariens, einem kleinem Land sehr am Rand, gibt es nicht jeden Tag. Aber es wird noch besser. Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als ich dort plötzlich meine Muttersprache vernahm, die ich schon Monate nicht gehört hatte. Normalerweise spricht hier niemand Deutsch. Und so kam ich gleich mit den beiden ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass Angelina Bulgarin ist, sie seit Jahren in Deutschland lebt und sich selbst als Wirtschaftsflüchtling bezeichnet. Frank kommt aus dem Ruhrgebiet, wo sie aber nicht leben. Sie leben auch nicht in Bulgarien, sondern in Berlin, und zwar bei mir um die Ecke im Friedrichshain. Natürlich waren wir gleich beim Thema Nummer Eins, das wir uns nicht ausgesucht haben, sondern das uns allen seit nunmehr über einem Jahr aufgedrückt wird. Frank und Angelina müssen demnächst nach Berlin zurück, weil sie für ihren kleinen Sohn Alexander einen Platz in der Kita bekommen haben, aber vor allem wohl, weil ihnen das Geld ausgeht. Auch in Bulgarien, dem ärmsten Land Europas, ist ohne Moos nicht viel los, auch wenn man zum Überleben viel weniger braucht als in Berlin. Die meiste Zeit sprachen wir über ihre Zweifel. Denn Angelina und Frank glauben nicht alles, was so offiziell erzählt wird, einfach weil dies zu widersprüchlich sei, aber auch, weil sie noch selber denken und sich Sorgen um ihren Sohn machen. Gerade haben mir die beiden einen Link zu einem Text geschickt, wo sich die Autoren fragen, warum es nur für die eine Seite bestimmte Bezeichnungen gibt. Warum werden beispielsweise die Verängstigten, also die besorgten Bürger von heute, nicht "Phobokraten" genannt. Auch "Phobokratie" anstelle von Demokratie wäre eine Option. Oder "Ängstige und Herrsche" als Weiterentwicklung von "Teile und Herrsche" der alten Römer ist den Autoren eine Überlegung Wert. Aber, damit das ganz klar ist, das sind weder Franks noch Angelinas oder gar meine Ideen - Gott bewahre! Ich gebe sie hier nur wieder, um es von Anfang an zuzugeben und kein Geheimnis daraus zu machen. Manchmal ist es das beste, man gibt gleich alles zu. Also falls auch du Kontakt zu Menschen wie Frank und Angelina hast oder hattest, so ist das erstmal nicht schlimm, denn es gibt viele von ihnen. Schlimm wird es nur, wenn auch dir plötzlich Zweifel kommen. Das passiert, keine Frage, kommt in den besten Familien vor. Dann hilft nur an die Öffentlichkeit zu gehen, so wie ich dies hier tue, und sich zu offenbaren. Früher glaubte man, dass es helfen würde, mehr zuzugeben, als eigentlich passiert ist. Aber "Viel hilft viel" gilt beim Zugeben nicht, geht meistens nach hinten los. Am besten, du bleibst bei der Wahrheit. Du hattest Kontakt mit dem Feind, hattest die und die Gedanken gehabt, und jetzt hast auch du Zweifel. So in der Art. Wohin nun mit den Zweifeln? Das kann auch ich dir nicht sagen. Am besten man hat erst gar keinen Feindkontakt, auch wenn dies immer schwieriger wird. Ein neuer Lockdown könnte helfen, wenn da nicht das Internet wäre. Zum Schluss nochmal der Hinweis: Frank, Angelina und ihr kleiner Sohn Alexander werden bald zurück in Berlin/Friedrichshain sein. Nur, dass du die Namen schon mal gehört hast ...

Foto&Text TaxiBerlin

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