22.1.21

Leben in Zeiten von Corona - Heute: Mobbing eines Maskenbefreiten


Demnächst hier im Angebot

Seit mehr als zehn Jahren bin ich nicht einfach nur Kunde sondern Stammkunde in dem Café/Antiquariat, seit Corona Antiquariat/Café, bei mir im Kiez. Ich bin nicht der einzige Büchersüchtige, der ständig neue Bücher braucht. Man kennt sich in der Szene, wenn auch oft nur vom Sehen, wie ich z.B. den ebenfalls von der Büchersucht Betroffenen, der mich vor wenigen Tagen aus dem Nichts heraus von der Seite angeblafft hat, weil ich in dem Antiquariat/Café keine Maske trage. Dass ich an dem Ort, an dem wir beide unserer Sucht frönen, weswegen ich auch gerne vom Tatort spreche, keine Maske trage, keine Maske tragen kann, ist nicht neu. Ich habe dort noch nie eine Maske getragen, denn ich bin seit Langem und noch bevor das Tragen einer Maske zur Pflicht erklärt wurde im Besitz eines ärztlichen Attestes meiner Hausärztin. Diesen habe ich irgendwann einmal in dem Antiquariat/Café vorgezeigt, genau genommen mehrfach, damit ihn auch alle Mitarbeiter einmal gesehen haben, und er wurde seither akzeptiert. Der Kollege und Betroffene kennt mich also gar nicht mit Maske, und bisher hat ihm das auch nichts ausgemacht. Vor wenigen Tagen blaffte er mich nun plötzlich völlig aus dem Nichts heraus von der Seite an, dass ich keine Maske tragen würde, und ob ich das denn nicht wissen würde. Ich antworte ihm höflich und wahrheitsgemäß, dass mir dieser Umstand durchaus bewusst sei. Daraufhin blaffte er mich weiter von der Seite an, dass das nicht gehen würde, dass ich ihn anstecken würde und dass ich jetzt mal rasch meine Maske aufsetzen solle und zwar ein bisschen zackig. Wieder wies ich ihn höflich darauf hin, dass ich einen ärztlichen Attest habe, dass ich aus medizinischen Gründen keine Maske tragen könne. Jetzt war ein Moment Ruhe, aber nicht lange, sondern nur bis eine Mitarbeiterin den Raum betrat, um neue Bücher einzusortieren. Die blaffte der Betroffene dann zwar nicht so wie mich an, aber er wies sie schon ziemlich bestimmt darauf hin, dass das ihr Job wäre, mich zum Tragen einer Maske an unserem gemeinsamen Tatort zu verpflichten, damit er dort nicht angesteckt wird, denn von mir ginge schließlich eine Gefahr für ihn aus. Auch die Mitarbeiterin reagierte ruhig, so wie ich zuvor, und teilte dem Betroffenen mit, dass ich einen ärztlichen Attest habe, den ich auch mehrfach vorgelegt habe. Der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene rastete nun völlig aus und schrie laut aus, dass man ja wissen würde, wo solche Atteste herkämen, und dass das so nicht weitergehen könne, dass ich nicht weiter ohne Maske unseren gemeinsamen Tatort betreten dürfe usw. ... Nach seinem Ausbruch war wieder Ruhe, denn weder die Mitarbeiterin noch ich reagierten auf ihn. Zwei Tage später, also vorgestern, war ich erneut in dem Antiquariat/Café, unserem gemeinsamen Tatort, und der ebenfalls Betroffene war auch wieder da. Es dauerte nicht lange, da bekam ich mit, dass er hinter meinem Rücken mit einer anderen Mitarbeiterin sprach, dass er das dreist fände, dass man ihn gefährde, und dass das spätestens nächste Woche sein Ende hätte. Da man offensichtlich über mich sprach, näherte ich mich den beiden, woraufhin der Betroffene das Gespräch abbrach und sich entfernte. Die Mitarbeiterin des Antiquariat/Cafés sagte nichts dazu. Das änderte sich gestern, als ich erneut unseren gemeinsamen Tatort besuchte, der andere Betroffene auch bereits da war, ich diesmal allerdings von der Mitarbeiterin darauf hingewiesen wurde, dass ich ab sofort das Antiquariat/Café ohne Maske nicht mehr betreten dürfe, mein ärztlicher Attest sie nicht mehr interessiert, denn schließlich hat sie das Hausrecht. Es interessierte sie nicht, dass ich z.B. bei real und bei EDEKA problemlos ohne Maske einkaufen kann. Mehrere Personen hätten sich beschwert, weil ich ohne Maske komme. Sie hätten Angst, dass ich sie anstecken würde. Daraufhin meinte ich, dass das mehr mit den Leuten zu tun hätte als mit mir, was die Mitarbeiterin des Antiquariat/Café für möglich hielt, aber an ihrer Entscheidung nichts änderte. Da ich wie gesagt keine Maske tragen kann, schlug ich vor mir ein Visier aufzusetzen. Für den Moment lies sich die Mitarbeiterin, die ich übrigens seit Jahren gut kenne, auf diesen Kompromiss ein. Ich gehe aber davon aus, dass wenn nächste Woche der Lockdown erneut verschärft wird, der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene erneut mit der Mitarbeiterin sprechen wird, so wie er es bereits in dem Gespräch hinter meinem Rücken angedeutet hat, und darauf bestehen wird, dass auch ich das Antiquariat/Café, unseren gemeinsamen Tatort, nur noch mit Maske betreten darf. Dazu muss man wissen, dass es nicht nur um eine Sucht geht, von der wir beide betroffen sind, sondern auch um die Existenz, denn wir sind beide im Büchergeschäft. Das Antiquariat/Café ist die wichtigste Quelle der Bücher, die ich in meinem Bauchladen anbiete, und auch der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene, der mich da gerade gemobbt hat, dürfte die ganzen Bücher, die er Tag für Tag dort kauft, weiterverkaufen. Es geht hier also auch, das muss ganz klar gesagt werden, ums Geschäft und um Quellen und demnächst möglicherweise ums nackte Überleben. Was die Angst des Betroffenen angeht, die er hat, so nehme ich diese ernst. Sie ist mir nicht gleichgültig. Ich kann sie verstehen, und es tut mir leid, dass er sie hat. Seine Ängste haben aber mehr mit ihm zu tun als mit mir. Davon bin ich überzeugt. Sie geben ihm auf keinen Fall das Recht, so mit mir zu sprechen, auch nicht hinter meinem Rücken und vor allem nicht zu behaupten, er wisse wo meine Maskenbefreiung herkäme. Was ich völlig vermisse bei ihm, ist das Verständnis und das Mitgefühl mit Menschen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können. Hier ist er völlig "schmerzfrei", der Betroffene, und das verstehe ich nicht. Da ich weiß, dass er raucht, und nicht zu knapp, kann ich mir vorstellen, dass er sich aufgrund seines Nikotinkonsums zu einer Corona-Risikogruppe zählt. Er dürfte auch ein paar Jährchen älter sein als ich, wenn ihn nicht das viele Rauchen nur älter aussehen lässt. Auch das ist möglich. Diese Beobachtungen führen mich zu der Überlegung, und jetzt bin auch ich mal etwas gemein, ob es nicht so sein könnte, dass ich mir, geht es nach dem Betroffenen, nun eine Maske aufsetzen soll, obwohl ich einen gültigen ärztlichen Attest habe, den ich nicht von irgendwo herhabe, wie er behauptet, sondern von meiner Hausärztin, und der besagt, dass mir aus medizinischen Gründen eine Maske nicht zuzumuten ist, genauso wie dies auch den Verkäufern und Verkäuferinnen im Supermarkt und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Antiquariat/Café nicht zumutbar ist, weil er sein halbes Leben geraucht hat und sich heute deswegen von jedem, der keine Maske trägt, bedroht fühlt. Wenn dem so ist, und vieles spricht dafür, dann muss ich sagen: Ich kann nichts dafür, dass der Betroffene so viel geraucht hat, dass er auch dieser Sucht sein halbes Leben lang frönen musste, und nicht nur seiner Büchersucht, aber ich habe damit nichts zu tun. Oder mit anderen Worten: Es gibt ihm nicht das Recht, mich in seine ganz private Maskengeiselhaft zu nehmen.

Foto&Text TaxiBerlin

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